Äthiopien: Wiege des Kaffees
Als Cappuccino oder Espresso, gebrüht oder gefiltert - Kaffee ist eines der beliebtesten Getränke der Welt. Aber kaum einer weiß, woher er eigentlich kommt. Auf Spurensuche im Süden Äthiopiens.
Wie alles begann
Millionen Menschen weltweit trinken täglich Kaffee - und der kommt oft aus Äthiopien. Nach Gold ist Kaffee der größte Exportschlager des ostafrikanischen Landes. Die frischen Bohnen werden in 60-Kilogramm-Säcken verpackt, 143 Millionen davon will Äthiopien allein in dieser Ernte-Saison verschicken. Wer wissen will, wo genau der Kaffee herkommt, muss ein bisschen reisen.
Vergessener Ort
Kaum jemand kennt Bonga, im Südwesten Äthiopiens. Die globale Kaffee-Industrie scheint das verschlafene Städtchen längst vergessen zu haben. Bonga liegt inmitten von 500 Quadratkilometern subtropischen Waldes, überall Kaffee-Pflanzen und wilder Honig. Einst hieß diese Region "Kaffa", daher - so die Sage - stammt auch der Begriff Kaffee.
Neugieriger Ziegenhirte
In Bonga soll der Kaffee im 6. Jahrhundert entdeckt worden sein. Der Legende nach sah der Hirte Kaldi, wie seine Ziegen rote Beeren von einem Strauch fraßen, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Die Tiere sprangen später merkwürdig aufgedreht herum. Kaldi kostete die mysteriösen Früchte selbst und entdeckte so: die Kaffee-Bohne, die eigentlich eine Beere ist.
100 Prozent "Bio"
Heute ist Äthiopien Afrikas größter Kaffee-Produzent. Das "schwarze Gold" wird zum größten Teil von Kleinbauern produziert. Weil die sich Düngemittel oder teures Equipment nicht leisten können, sind die geernteten Bohnen vollkommen rein und organisch. 15 Millionen Äthiopier leben vom Kaffeeanbau. Vergangene Saison hat das Land Kaffee im Wert von 900 Millionen US-Dollar exportiert.
Natürliche Kaffee-Fabrik
Über die Qualität des Kaffees entscheidet auch die Anbauhöhe. Dafür hat der Wald um Bonga die besten Voraussetzungen. Die Beeren gedeihen besonders gut in Höhen von 900 bis 1800 Metern. Außerdem sorgt der Schatten der umliegenden Bäume dafür, dass die Früchte langsamer reifen. Dadurch werden die Bohnen größer und haben einen intensiveren Geschmack.
Süßer Nebenverdienst
Der Wald um Bonga zieht auch Honigbienen an. Überall in der Gegend verkaufen die Bauern an kleinen Verkaufsständen Kübel voller Honig - von dunkelkaramell über gelb bis marmorfarben. Viel davon geht in die Produktion von Äthiopiens berühmtem Honigwein "Tej".
Wald-Früchte
"Ich würde niemals in die Stadt ziehen und auf all das hier verzichten", sagt Imker Mirutse Habtemariam und zeigt auf den Wald, der sein Dorf umgibt. Hier wachse alles, was die Menschen brauchen. Der Bienenzüchter erntet zum Beispiel auch Kardamom, lange grüne Paprika-Schoten und Bananen.
Frisch zubereitet
Natürlich hat in Bonga auch die uralte äthiopische Kaffee-Zeremonie überlebt: Rohe, grüne Bohnen werden über heißen Kohlen geröstet, dann mit einem hölzernen Mörser gemahlen und schließlich in einem Lehmtopf, genannt "Jebena", aufgebrüht. So frisch zubereitet bekommt man den Kaffee nur selten. Die Äthiopier nennen ihn übrigens "Bunna".
Alles andere als bitter
Der Kaffee aus der Region hat eine hohe Qualität und ist erstaunlich vielfältig: Manche Sorten schmecken nach Wein mit einem Hauch von Jasmin und Orange, andere nach Rosinen, Veilchen und Mango, oder nach Erdbeere, Kirsche und Litschi. Schätzungen gehen davon aus, dass es in Äthiopien bis zu 6000 verschiedene Sorten von Kaffee gibt.
Made in Ethiopia
Ein nationales Kaffee-Museum soll Bonga jetzt doch noch zu weltweiter Bekanntheit verhelfen: Eröffnet wurde es 2015 von Äthiopiens Premierminister Hailemariam Desalegn. Doch die Kaffee-Industrie des Landes muss noch viel nachholen - nicht nur um auf dem Weltmarkt erfolgreicher zu sein, sondern auch damit die Äthiopier endlich mehr profitieren von ihrer mehr als tausend Jahre alten Entdeckung.