2020: Merkel mahnt die Deutschen
31. Dezember 2019"Die 20er Jahre können gute Jahre werden," sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache. "Überraschen wir uns einmal mehr damit, was wir können. Veränderungen zum Guten sind möglich, wenn wir uns offen und entschlossen auf Neues einlassen." Mit diesem Appell schickt die 65-jährige Kanzlerin Deutschland in das neue Jahr und Jahrzehnt.
TV-Ansprachen von Bundeskanzlern sind in Deutschland - abgesehen von der Neujahrsansprache - eine seltene Sache; Merkel hat sogar noch nie eine Extra-Rede gehalten. Die Neujahrsansprache wird zur besten Sendezeit ausgestrahlt und erreicht sehr hohe Einschaltquoten.
Die jetzige Ansprache ist Merkels 15. Neujahrsansprache. Geht alles nach Plan, war es ihre vorletzte. Die nächste Bundestagswahl findet 2021 - dann ohne Merkel - statt. Es geht also inzwischen auch um ihr Vermächtnis.
Typisch Merkel
Merkel hatte 2005 ihre Kanzlerschaft als Reformerin begonnen und immer wieder gemahnt, wie wichtig es sei, das Land und ihre Partei, die Christdemokraten (CDU), für die Zukunft fit zu machen. Nun finden sich in ihrer Rede wieder Ähnlichkeiten zu ihren Anfangsjahren. Mehr denn je brauche Deutschland "Mut zu neuem Denken" und "die Kraft, bekannte Wege zu verlassen" oder "die Entschlossenheit, schneller zu handeln", mahnt sie. Nach reiner Rückschau und Ausruhen auf dem Erreichten klingt das nicht - auch das ist typisch für Merkel.
Merkel nennt aktuell drei Herausforderungen. Die Digitalisierung des Arbeitslebens, die Bekämpfung von Fluchtursachen auf dem Nachbarkontinent Afrika und - vor allem - den Klimawandel. Da dieser von Menschen verursacht sei, "müssen wir auch alles Menschenmögliche unternehmen, um diese Menschheitsherausforderung zu bewältigen".
Schwerpunkt Klimaschutz
Das vor kurzem beschlossene Klimapaket von Bund und Ländern beschreibt Merkel als eine gute Basis, auf der aufgebaut werden könne. Sie wisse aber, dass die beschlossenen Maßnahmen dem "einen Angst machen, dass sie sie überfordern könnten, und dem anderen noch lange nicht ausreichen". Doch Deutschland könne darauf aufbauen, "was uns schon immer stark gemacht hat": Ideen, Erfindergeist, Fleiß und Hartnäckigkeit. Sie als Kanzlerin werde all ihre "Kraft" dafür einsetzen, dass Deutschland seinen Beitrag leiste, den Klimawandel "ökologisch, ökonomisch, sozial" in den Griff zu bekommen. Damit setzte Merkel auch ein Signal an die anderen Parteien, Klimaschutz umsichtig und nicht einseitig umsetzen zu wollen.
Kompass für das nächste Jahrzehnt müssten die Werte des Grundgesetzes und die sozialen Marktwirtschaft bleiben. Auch im digitalen Zeitalter gelte, dass "die Technik dem Menschen" diene "und nicht umgekehrt".
"Was uns verbindet"
Bei alledem gebe es "gute Gründe, zuversichtlich" zu sein. Merkel erinnerte in ihrer Rede an die deutsch-deutsche Wiedervereinigung, die sich 2020 zum 30. Mal jähren wird. Im vergangenen Jahr hatte es in Deutschland intensive Debatten über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Wiedervereinigung gegeben. "Großartiges" sei erreicht worden, so Merkel, doch es bleibe noch mehr zu tun, "als wir vor 30 Jahren gedacht hatten". Wichtig sei, auf das Gemeinsame zu setzen, "was uns verbindet".
Auf die politische Polarisierung in Deutschland und ihre Folgen geht Merkel noch an einer anderen Stelle ihrer Rede ein. Sie versprach den hauptberuflichen und ehrenamtlichen Politikern, sie vor "Hass, Anfeindungen und Gewalt, vor Rassismus und Antisemitismus zu schützen". Das sei "Aufgabe des Staates" - und die Bundesregierung fühle sich dazu "besonders verpflichtet".
2020 wird auch ein Europa-Jahr
Am Ende gibt Merkel einen Ausblick auf die Vorhaben der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in 2020. Es werde einen Gipfel mit China und ein Treffen mit den Staaten Afrikas geben. Merkel betonte, wie wichtig die Europäische Union in der geostrategischen Auseinandersetzung um "Werte und Interessen" sei.
Einen besonderen Dank richtete die Bundeskanzlerin an alle, die "fern der Heimat ihren Dienst tun", wie Soldaten, Polizisten und zivile Helfer. Allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wünsche sie ein "gesundes, frohes und gesegnetes neues Jahr 2020".