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Abgesang auf den Diesel

Rolf Wenkel
19. Juli 2017

Daimler, Audi und BMW ziehen die Notbremse und wollen mit kostenlosen Nachrüstungen den Ruf des Dieselmotors retten. Doch die Riege der Diesel-Verteidiger zeigt Auflösungserscheinungen.

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Symbolbild Zulassungsverbote Verbrennungsmotoren
Bild: picture-alliance/dpa/Jorgensen

Durch den Abgasbetrug bei Volkswagen und vielen anderen Autobauern ist der Diesel in Misskredit geraten. In einigen deutschen Städten wird der EU-Grenzwert seit Jahren teilweise um das Doppelte überschritten. Eigentlich müsste in vielen Innenstädten ein Diesel-Fahrverbot verhängt werden - doch Bundesregierung und Bundesbehörden mauern.

Inzwischen zeigt die einst geschlossene Riege der deutschen Autobauer zur Verteidigung des Diesels erste Auflösungserscheinungen. Viele halten zwar an der Salami-Taktik fest, nur so viel zuzugeben, wie ihnen gerichtsfest nachgewiesen werden kann. Einige wollen jedoch Millionen Dieselfahrzeuge kostenlos nachrüsten, um den ramponierten Ruf des Diesels aufzubessern. Doch inzwischen denken die ersten Hersteller über einen Ausstieg aus der Dieseltechnologie nach.

Der Stuttgarter Autobauer Daimler hat am Dienstag unter dem Druck der Diskussion über Fahrverbote und Abgas-Betrugsermittlungen eine massive Rückrufaktion angekündigt. Insgesamt drei Millionen Mercedes-Benz Pkw mit Dieselmotoren in Europa sollen durch eine Nachrüstung weniger schädliches Stickoxid ausstoßen, hatte der Autobauer am Dienstag mitgeteilt. Die "freiwillige Servicemaßnahme", wie Daimler den Rückruf nennt, soll den Kunden nichts kosten.

Daimler, Audi und BMW rüsten nach

Auch die Konkurrenten BMW und Audi haben sich gegenüber der bayerischen Landesregierung zur Nachrüstung etwa der Hälfte ihrer Dieselautos mit der älteren Norm Euro 5 bereit erklärt. Diese Aktion soll den Autofahrer ebenfalls kein Geld kosten, meldet die bayerische Staatskanzlei. 

Daimler hat bereits mit der im vergangenen Jahr von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt verlangten Nachrüstung von knapp 250.000 Kompaktwagen und Vans begonnen. Das Kraftfahrt-Bundesamt war bei Messungen auf Stickoxid-Werte gestoßen, die nach seiner Ansicht mit technischen Gründen des Motorschutzes nicht zu erklären waren. Eine Manipulation, wie sie Volkswagen unter Druck von US-Umweltbehörden zugab, hatte die deutsche Aufsicht Daimler nicht vorgeworfen. Diesem Vorwurf geht mittlerweile aber die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach. Sie sicherte mit einer Großrazzia Beweise. 

Mit dem jetzt verkündeten kostenlosen "Software-Update" nimmt Daimler rund 220 Millionen Euro in die Hand, um den angeschlagenen Ruf des Diesels aufzupolieren. Denn der Stuttgarter Konzern will unbedingt am Diesel festhalten. Er bleibe wegen seiner niedrigen Kohlendioxid-Werte fester Bestandteil bei Daimler, heißt es in der Konzernzentrale. Kein Wunder: In die Entwicklung der neuesten Motorenfamilie hat der Konzern rund drei Milliarden Euro investiert.

Branche unter Druck

Die Umrüst-Aktionen, die Daimler, Audi und BMW angekündigt haben, setzen den Rest der Branche gehörig unter Druck. Der Sportwagenbauer Porsche denkt mittlerweile als erster deutscher Autobauerüber einen Abschied vom Diesel nach. Noch im Herbst sollen auf der IAA in Frankfurt neue Modelle des Cayenne und des Panamera mit Dieselmotoren präsentiert werden. Doch das könnte auch die letzte Generation von SUVs und Limousinen sein, in denen Porsche Diesel anbietet. Das deutete Porsche-Chef Oliver Blume gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters an: "Für Generationen, die danach kommen, gibt es verschiedene Szenarien."

Diesel-PKW drohen Verbote

Die Branche will auf Initiative der Bundesregierung am 2. August beraten, wie Fahrverbote mit möglichen Nachrüstaktionen vermieden werden können. Diese müsste aber den gleichen dämpfenden Effekt auf die Schadstoffe haben wie die zeitweise Verbannung von Dieselautos aus Innenstädten. Auch ist noch offen, ob es mit einer Software-Lösung getan ist oder auch Motoren umgebaut werden müssen. Das käme die Autoindustrie teurer zu stehen.

Die drohenden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Stuttgart sind seit Mittwoch (19.07.2017) ein Fall für die Justiz in Baden-Württemberg: Das Verwaltungsgericht Stuttgart befasst sich mit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), mit der die Landesregierung gezwungen werden soll, konsequenter gegen die Luftverschmutzung in Stuttgart vorzugehen. Seit sieben Jahren werde der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten, nicht selten um das Doppelte, argumentieren die Kläger.

Reichen Nachrüstungen aus?

Jeden Tag atmeten die Stuttgarter krankmachende Luft, so die DUH. Ein wirksames Mittel sei allein ein generelles Fahrverbot. Das jedoch schließt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen vorläufig aus. Land und Stadt hätten dem Gericht am liebsten die Einführung einer blauen Plakette präsentiert, mit der ältere Dieselautos aus der Umweltzone Stuttgart ausgesperrt werden könnten. Allerdings müsste da die Bundesregierung tätig werden, was sie bislang nicht getan hat.

Die Behörden wollen deshalb das Gericht in Stuttgart davon überzeugen, dass die Abgas-Grenzwerte auch mit Nachrüstungen erreicht werden könnten, ohne Fahrverbote aussprechen zu müssen.

Beim ersten Verhandlungstermin ließ der Richter Wolfgang Kern allerdings durchblicken, dass er Nachrüstungen skeptisch sieht: Berechnungen zum Zeitplan und zur möglichen Schadstoffreduktion seien "von maximalem Optimismus getragen", so Kern. Eine Entscheidung wird in der kommenden Woche erwartet.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, hält die Pläne der Autoindustrie für unzureichend. Bei den meisten Dieselfahrzeugen genüge es nicht, die Motor-Software nachzurüsten, "da muss man die Hardware nachrüsten", sagte Hofreiter im Deutschlandfunk.

Hofreiter ist überzeugt, dass Fahrverbote für Diesel in Innenstädten nicht aufzuhalten sind. Mangels politischer Mehrheiten würden Gerichte solche Verbote zum Schutze der Bevölkerung anordnen. "Es geht immerhin darum, dass mehrere tausend Menschen in Deutschland vorzeitig sterben."

Drohende Fahrverbote machen sich inzwischen auch bei den Absatzzahlen für Diesel-Neuwagenkäufe bemerkbar. Im Juni brachen die Neuzulassungen von Diesel-Fahrzeugen in Deutschland um neun Prozent ein, der Marktanteil schrumpfte auf gut 41 Prozent.