Abkehr von Peking?
14. Mai 2012Kaum war Myanmars neuer Staatspräsident Thein Sein im Amt, stoppte er das wichtigste Investitionsprojekt Chinas in seinem Land. Der Bau des Myitsone-Staudamms am Irrawaddy-Fluss sollte Strom für Chinas Südprovinzen produzieren. Myanmars neue Regierung kündigte das Projekt einseitig auf. Mit dem Affront gegenüber China sandte Thein Sein ein Signal in zwei Richtungen, erklärt Jost Pachaly, Leiter des Südostasienbüros der Heinrich-Böll-Stiftung. "Einerseits hat er damit die Öffnung zum Westen signalisiert, andererseits hat er auf eine antichinesische Stimmung in der Bevölkerung reagiert und sich damit sehr viele Sympathien verschafft."
Chinas Zugang zum indischen Ozean
Der Baustopp des Myitsone-Staudamms irritierte die Regierung in Peking, die seit den 90er Jahren unbehelligt Wirtschaftsprojekte in Myanmar durchsetzen konnte. Zurzeit bauen chinesische Unternehmen jeweils eine Gas- und Ölpipeline, die den Golf von Bengalen mit den südwestlichen Provinzen Chinas verbinden soll. Auch eine Zugverbindung ist geplant, um einen Handelsweg über myanmarische Häfen nach Europa, Afrika und in den Nahen Osten zu erschließen. 80 Prozent der chinesischen Erdölimporte müssen durch die Straße von Malakka, einer Meerenge zwischen Malaysia und Indonesien. Die Meerenge lässt sich mit geringem militärischem Aufwand abriegeln. Das sei ein wunder Punkt für die chinesische Energieversorgung, sagt der ehemalige deutsche Botschafter in Myanmar, Klaus Wild. "Das würde zumindest ein bisschen dadurch gelindert werden , dass ein Teil des Öls quer durch Burma geleitet wird."
China profitiert von Myanmars Öffnung
Jahrzehntelang unterdrückte das myanmarische Militär jegliche Reform im Lande. Doch seit Herbst 2010 vollzieht das Land einen bemerkenswerten Wandel. Die Regierung ließ Hunderte von politischen Gefangenen frei, darunter die seit Jahren unter Hausarrest stehende Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die Pressegesetze wurden liberalisiert, Friedensverhandlungen mit ethnischen Minderheiten eingeleitet. Das ehemals isolierte Land ist wieder salonfähig geworden. Ende letzten Jahres besuchte US-Außenministerin Hillary Clinton Myanmar. Nach und nach setzt der Westen die Sanktionen gegen Myanmar aus.
Bis 2011 war China der einzige Verbündete Myanmars. Der Deal war einfach: China sicherte die Existenz des Regimes und erhielt im Gegenzug die reichhaltigen Bodenschätze. Durch Myanmars Öffnung müsse sich China nun mit neuen Konkurrenten auseinandersetzen, erklärt Jost Pachaly. "Für China ist das jetzt eine andere Situation. Aber es wird von einer generellen Öffnung des Landes mit profitieren, weil sich viel mehr wirtschaftliche Entwicklung dort vollziehen wird."
Stabilität als Schlüsselfaktor
Auch Klaus Wild sieht in Myanmars Wandel eine Chance für China. Eine gelingende wirtschaftliche Entwicklung in dem von Konflikten geprägten Land sorge für mehr Stabilität. "China ist interessiert an Stabilität an seinen Grenzen. Der Regierung in Peking ist das relativ egal, ob in Myanmar jetzt eine Demokratie oder eine andere Staatsform herrscht. Hauptsache es herrschen stabile Verhältnisse."
Dass sich in Myanmar tatsächlich stabile Verhältnisse einstellen und die wirtschaftliche Entwicklung voranschreitet, ist für die Zukunft des Landes entscheidend. Dabei spiele China als wirtschaftliche Großmacht der Region die entscheidende Rolle, so Klaus Wild. "China entwickelt sich ungleich dynamischer als die umliegenden Länder. Es wird zumindest für einen Teil der myanmarischen Wirtschaft wichtig sein, an die chinesische Entwicklung anzukoppeln."
Jahrelang hat nur die myanmarische Elite von der Partnerschaft mit China profitiert. Im besten Fall wird in Zukunft die gesamte Bevölkerung profitieren.