Pekinger Arbeitsatelier von Ai Weiwei demoliert
3. August 2018Die Bagger kamen ohne jede Vorwarnung. Das schreibt der im Exil lebende chinesische Künstler Ai Weiwei auf Instagram. Das Video, das er dort am Freitagnachmittag (03.08.2018) postete, zeigt den Beginn des Abrisses seines Pekinger Arbeitsateliers. Mitten in einer schmucklosen Betonhalle steht reglos ein Mann und sieht fassungslos zu, wie eine Baggerschaufel die überdimensionalen Industriefenster des Studios demoliert.
Ai Weiwei auf Instagram: 今天,我的"左右"工作室遭拆迁。
Seit 2006 sei die Werkhalle, solange er noch in China war, seine hauptsächliche Arbeitsstätte gewesen. "Zuoyou" - "Beide Seiten", wörtlich "rechts / links", übertragen "ungefähr", hatte er das Studio getauft. Jetzt verabschiedet er sich sarkastisch von der Fabrikhalle im DDR-sozialistischen Industriestil: "Farewell", "Leb wohl", ist sein knapper Kommentar.
Der weltberühmte Konzeptkünstler hat China vor drei Jahren verlassen, aktuell lebt er in Berlin und New York. Im Jahr 2011 war Ai Weiwei wegen seiner Kritik an der kommunistischen Staatsführung in Peking für 81 Tage eingesperrt worden. Sein Reisepass wurde vier Jahre lang einbehalten.
Als er das Dokument 2015 endlich nach weltweiten Protesten zurückerhielt, zog er nach Berlin und trat an der Universität der Künste eine befristete Professur an. Im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg besitzt der Künstler ein großes Studio auf dem Areal des Pfefferbergs.
Nicht der erste Abriss eines seiner Studios
Dass sein Pekinger Arbeitsatelier jetzt abgerissen wird, dürfte Ai Weiwei weniger treffen als der Abriss seines damals gerade erst neu erbauten Studios in Shanghai im Januar 2011. Das große, moderne Gebäude war als Atelier und offenes Kulturzentrum geplant, der Abriss eine Strafe für die politischen Aktivitäten des Regimekritikers.
Als der Abriss damals einen Monat zuvor angekündigt wurde, stand Ai Weiwei in Peking unter Hausarrest und machte das Vorhaben übers Internet bekannt. Und er lud damals seine Anhänger zu einem ironischen Happening vor Ort in dem Künstlerviertel am Stadtrand von Shanghai ein, einem großen Krabbenessen. Das Wort für Krabbe hat auf Chinesisch denselben Klang wie das programmatische Lieblingswort der Partei: Harmonie.
Als dann am 11. Januar 2011 die Bagger kamen, musste Ai Weiwei zusehen, wie sich sein neues, millionenteures Atelier in einen Haufen Trümmer verwandelte. Sein öffentlicher Protest half dem Künstler nicht. Noch knapp drei Jahre zuvor hatte er als Künstler am Entwurf des prestigeträchtigen Pekinger Olympiastadions "Vogelnest" mitgearbeitet.
2018 konnte Ai Weiwei jetzt den Atelierabriss nur medial vermittelt aus der Ferne des Exils beobachten. Ob sich noch künstlerische Arbeiten von ihm in dem Gebäude befanden, ist nicht bekannt.