Angola wählt Nachfolger für dos Santos
22. August 2017"Es lebe Angola! Der Kampf geht weiter! Der Sieg ist gewiss!" Vergangenen Samstag trat Angolas Langzeitpräsident José Eduardo dos Santos erstmals bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner MPLA-Partei in Erscheinung. Ein kurzer Auftritt, bei dem er sich im Wesentlichen darauf beschränkte, die altbekannten Slogans wiederzugeben. Er sei sich sicher, so dos Santos, dass die MPLA die Wahlen am 23. August gewinnen werde. Seinem designierten Nachfolger Joäo Lourenco wünschte er viel Erfolg.
Viele Angolaner widersprechen seiner Prognose nicht. Wahlen in Angola seien "wie ein alter Kinofilm, der immer wieder neu abspult wird", sagt der 35jährige Hip-Hop-Künstler Luaty Beiräo. Dabei wollten vor allem die jungen Leute "einen Wechsel, neue Gesichter, eine andere Politik." Doch am Ende gewinne immer wieder dieselbe Partei, nämlich die seit 1975 ununterbrochen regierende MPLA. Das sei schon bei den Wahlen von 1992, 2008 und 2012 so gewesen.
'Kontrollwahn' der Regierungspartei
Luaty Beiräo sitzt auf einer Parkbank an der "Marginal", der Uferpromenade von Luanda, und schaut aufs Meer. Die Prachtstraße wurde kurz vor den letzten Wahlen 2012 für rund 340 Millionen Euro neu gestaltet. Auch das sei eine Konstante, sagt er. Kurz vor den Wahlen würden neue öffentliche Bauten eingeweiht: Straßen, Tunnel, Talsperren. Das Treffen mit dem DW-Reporter hatte er über verschiedene soziale Netzwerke anberaumt und mehrmals umdisponiert. Sein Handy werde ständig abgehört, sagt er als Begründung. Die Regierungspartei leide unter Kontrollwahn. Jeglicher Widerspruch sei ihnen verdächtig. Unter den Umständen hätten es Opposition und Zivilgesellschaft sehr schwer.
Beiräo gehört einer kleinen Gruppe von jungen Leuten an, die seit Jahren gegen das Regime von Präsident dos Santos kämpft. In der Vergangenheit wurde er mehrmals verhaftet. 2015 war er als Strafgefangener in einen wochenlangen Hungerstreik getreten. Aufgegeben hat er bis heute nicht. Während dieses Wahlkampfes gingen seine Protestaktionen weiter. So demonstrierten seine Mitstreiter und er gegen die von der Regierung durchgesetzte Einschränkung der Versammlungsfreiheit für zivilgesellschaftliche Gruppen direkt vor dem Innenministerium.
Immer wieder meldet Beiräo sich zu Wort und prangert Unregelmäßigkeiten an. "Es ist eine Schande, wie der Wahlkampf abläuft! Wir hatten hier einen Monat lang eine gnadenlose Propaganda in den Medien zugunsten einer bestimmten Partei", sagt er. "Viele Wähler – vor allem in den Oppositionshochburgen – erleben eine massive Einschränkung ihres Wahlrechts, weil ihnen Wahllokale zugewiesen werden, die weit entfernt von ihren Wohnorten, teilweise in einer anderen Region, liegen."
"Alle Parteien sind gleich, aber eine Partei ist gleicher"
Tatsächlich dominierte die regierende MPLA den vierwöchigen Wahlkampf, der diesen Montag zu Ende geht. Wenn es nach der Größe und Anzahl der Wahlplakate ginge, dann müsste man von einem Kantersieg für die die MPLA-Partei gegen die fünf Mitbewerber der Opposition sprechen.
Auch in Punkto "Medienpräsenz" konnte von einer "Gleichbehandlung aller Parteien", wie sie Artikel 64 des angolanischen Wahlgesetzes vorsieht, nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Sowohl das Staatsfernsehen als auch Privatsender übertrugen mehrere Wahlkampfreden des Regierungskandidaten live und in voller Länge. Die Auftritte der Opposition wurden dagegen meist mit kurzen Ausschnitten abgehandelt.
Anlass zu großem Misstrauen im Oppositionslager sorgt auch die Zusammensetzung der Wahlkommission. Deren Mitglieder sollen nach dem Wahlgesetz von 2011 eigentlich unabhängig sein. Aber 10 der 17 Mitglieder des Kommissariats wurden von der Regierungspartei MPLA bestimmt. Darunter sind auch der Präsident und der Sprecher.
Auf den Straßen Luandas ist die Wechselstimmung dagegen spürbar. Die Wirtschaftslage ist katastrophal, der niedrige Ölpreis auf den Weltmärkten hat tiefe Löcher in den Staatshaushalt gerissen. Die Arbeitslosigkeit ist angestiegen. "Wir brauchen eine neue Regierung, die endlich die größten Probleme der Jugend anpackt: die Arbeitslosigkeit und die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten", sagen viele Jugendliche im Gespräch mit der DW.
Wechsel an der Staatsspitze: Wer wird der neue?
Doch für viele wird der Wunsch nach Veränderung schon dadurch befriedigt, dass Langzeitpräsident dos Santos nach 38 Jahren nicht mehr antritt. Die meisten Angolaner haben nie ein anderes Staatsoberhaupt erlebt. Dass die Partei jetzt mit Verteidigungsminister Joäo Lourenco einen neuen Mann an die Spitze des Staates setzen will, wird von vielen als Zeichen der Erneuerung verstanden.
Menschenrechtsaktivist Luaty Beiräo ist anderer Meinung. Wenn Lourenco gewählt würde, solle er in erster Linie die Interessen des scheidenden Präsidenten vertreten. Dessen Entscheidungen sollten möglichst nicht angetastet werden. Zudem soll dos Santos noch bis 2018 Vorsitzender der Regierungspartei bleiben. Die meisten Abgeordneten fühlten sich aber ein erster Linie dem Parteivorsitzenden verpflichtet, meint Beiräo. Denn der Präsident wird in Angola nicht vom Volk gewählt, vielmehr wird der Spitzenkandiat der stärksten Partei neuer Staatschef. Es stelle sich also die Frage: "Wer ist der mächtigere Mann im Land? Der neue Staatspräsident oder der alte und neue Parteivorsitzende?"
Diese Frage treibe zurzeit viele um und lasse Befürchtungen aufkommen, dass Joäo Lourenco eine bloße Marionette in den Händen von José Eduardo dos Santos sein werde. Luaty Beiräo äußert im Gespräch mit der DW die Vermutung, dass Lourenco "eine Zeit lang" diese Rolle sogar akzeptieren werde. "Aber auf kurz oder lang wird Lourenco seine eigenen Ideen umsetzen wollen. Vielleicht sollte er darauf drängen, bald auch den Parteivorsitz zu übernehmen", so Beiräos Fazit.
Mann der Kontinuität? Oder Erneuerer?
Im Wahlkampf hat Joäo Lourenco diesen Spagat ziemlich geschickt gemeistert. Sein Wahlslogan lautete: "Das Gute bewahren - das weniger Gute verbessern!" Ein Slogan, der in den Ohren vieler Angolaner immer noch einleuchtend klingt.
Seine schärfsten Konkurrenten – Isaías Samakuva von der ehemaligen Rebellenorganisation UNITA und Abel Chivukuvuku von der erst 2012 gegründeten CASA-CE - setzen auf den Wunsch vieler Angolaner nach Erneuerung. Sie versprechen eine Politik ohne Korruption, auf mehr Freiheit und vor allem Gerechtigkeit. Die unermesslichen Reichtümer des Landes sollten endlich gleichmäßiger unter der Bevölkerung verteilt werden, sagte der charismatische Chivukuvuku auf der Abschlußkundgebung seiner Partei vergangenen Sonntag. Außer der MPLA, der UNITA und der CASA-CE bewerben sich am Mittwoch noch drei andere Parteien um die Gunst der rund 9,5 Millionen Wähler:
Kurz vor der Wahl gibt es nur eine Gewissheit: An der Spitze Angolas wird künftig ein Anderer stehen als José Eduardo dos Santos. Ein neuer Präsident. Offen bleibt der Rest: Kommt der "Neue" aus den Reihen der MPLA oder aus den Reihen der Opposition? Und: Wird er sich für Kontinuität oder für einen Wandel entscheiden?