Ausstellung "Der blinde Fleck" in Bremen: Neuer Blick auf Kolonialkunst
Faszination und Geringschätzung für die besetzten Gebiete und ihre Einwohner lagen in der Kolonialzeit oft nah beieinander. Eine Ausstellung in Bremen betrachtet nun die Geschichte kolonialer Kunst.
"Der Schlüssel zu den Ozeanen", ca. 1935
Im 18. und 19. Jahrhundert war die Hansestadt Bremen ein Drehkreuz des Welthandels. Außerdem war die Hafenstadt Ausgangspunkt für Deutschlands koloniale Expansion und Millionen von Auswanderern, die im 19. Jahrhundert in die "Neue Welt" aufbrachen.
"Der Berg Fuji in einer Teeplantage in Katakura in der Provinz Suruga", 1830
Die Sammlung der Kunsthalle zeigt eindrucksvolle japanische Holzschnitte, vor allem aus der Edo-Zeit (1603-1868). Gegen Ende dieser Ära, im Jahr 1853, zwang die US-Flotte Japan seine Häfen für den internationalen Handel zu öffnen. 1905 finanzierte Heinrich Wiegand, Direktor der Reederei Norddeutscher Lloyd, eine Expedition nach Japan, bei der die meisten Ausstellungsstücke erworben wurden.
Werbung für die Reederei Norddeutscher Lloyd Bremen, ca. 1935
Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte das Schiff der Norddeutschen Lloyd deutsche Künstler wie Emil Nolde und Max Pechstein zu Inseln im Pazifik. Neben diesen Künstlern hatte das Schiff unter anderem Holzschnitte aus Japan und Kunstgegenstände aus Südamerika an Bord. Diese und viele weitere Arbeiten sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen.
"Männerkopf von Emil Nolde, 1913-14
Der deutsch-dänische Künstler Emil Nolde war nur einer von vielen Malern der Moderne, die sich von Skulpturen aus Afrika und der Pazifikregion beeinflussen ließen. Allerdings wurden diese Arbeiten oft losgelöst vom kulturellen Kontext und ohne Wertschätzung der ursprünglichen Künstler angefertigt.
"Stillleben mit Äpfeln und Bananen", Paula Modersohn-Becker, 1905
Dieses berühmte Bild aus dem frühen 20. Jahrhundert erinnert an die Handelsbeziehungen zwischen Kaufleuten aus Bremen, den Niederlanden und Großbritannien während des 19. Jahrhunderts. Sie beschränkten sich vornehmlich auf den Austausch von Gütern aus den Kolonien, wie sie wie hier von Paula Modersohn-Becker dargestellt wurden.
"Maske einer Tahitianerin, Paul Gauguin, 1890
Paul Gauguin verbrachte gegen Ende des 19. Jahrhunderts viele Jahre damit, die französischen Kolonien zu bereisen. Seine von diesen Reisen inspirierte Kunst wird als "primitivistisch" bezeichnet. Dahinter steckt ein mehrdeutiges Konzept postkolonialer Theorie: Auch wenn diese Kunstform die "Unverdorbenheit" der Menschen in den Kolonien verehrt, erklärt sie diese gleichzeitig für rückständig.
"Königin Victoria", Unbekannter Künstler aus Nigeria, ca. 1900
Skulpturen wie diese aus Nigeria zeigen, wie Künstler in den Kolonien die europäischen Kolonialmächte sahen. Auch Werke wie dieses, entliehen aus dem Hamburger Museum für Völkerkunde, sind Teil der Bremer Ausstellung "Der Blinde Fleck" und weiten den Blick auf die historische Epoche der Kolonialzeit.
"Cui Bono", Hew Locke, 2017
Der schottische Künstler Hew Locke fokussiert sich in seinen Arbeiten vor allem auf die Themen Globalisierung und Kolonialismus. Sein jüngstes Werk "Cui Bono" ist angelehnt an die historischen Schiffe der hanseatischen Händler. "Die Suche nach Wohlstand, gewaltsame Konflikte und das Bedürfnis nach Sicherheit haben die globale Migration von Menschen über Jahrhunderte geprägt", so Locke.
Postkarte des Bremer Kolonialdenkmals, vor 1945
Die Kunsthalle Bremen ist das erste Kunstmuseum in Deutschland und nach dem Tate Britain das zweite in ganz Europa, das seine Sammlung aus postkolonialer Perspektive neu betrachtet. "Der blinde Fleck" ist vom 5. August bis 19. November zu sehen.