Schwarz-weißblaue Hochburg mit Flair
1. September 2017In diesen Sommertagen, Wochen vor der Bundestagswahl 2017, wirkt die oberbayerische Stadt Bad Tölz fast mediterran. Die Stimmung bei Einwohnern und Touristen ist heiter und gelassen. In der Marktstraße flanieren die Menschen zwischen denkmalgeschützten Gebäuden. Keine einzige Leuchtreklame verschandelt die reich bemalten, oft mit gottesfrommen Sprüchen versehenen Häuser. An den Ufern der Isar, die durch die 18.000 Einwohner zählende Kurstadt fließt: Wanderer, Radfahrer, Sonnenhungrige, eine Flüchtlingsfamilie, die sich juchzend im Kieselwerfen übt.
Selbst Punks lieben Bad Tölz
Egal, wen man anspricht - alle schwärmen vom Leben in Bad Tölz. Die geringe Arbeitslosigkeit ist zwar wichtig für die Bürger, erklärt aber nicht allein deren große Zufriedenheit - schon eher die herrliche Natur ringsum, die Wälder, die Berge, die unendlichen Sportmöglichkeiten. Stadtführerin Sylvia Langanki erklärt es so: "Wir sind stolz auf unsere schönen alten Häuser, wir sind stolz auf unsere Traditionen, die alten Gebräuche, wir sind stolz auf die schöne Landschaft."
Neuer Versuch. Vor dem Rathaus - zwei junge Frauen und ihr Freund. Schwarze Klamotten, tätowiert, getunnelte Ohrläppchen. "Wie lebt es sich als Jugendlicher in einer Stadt, in der mehr als jeder zweite CSU wählt?" Paul Wagner findet die Stadt großartig. Es gebe einen Jugendclub, jede Menge Vereine und überhaupt sei das Leben angenehm hier. Er selbst will aber die Linkspartei wählen. Auch Rebekka und Selina werden die CSU nicht wählen. Sie vermuten, die meisten würden sich hier gar nicht mit den Wahlprogrammen der anderen Parteien beschäftigen und einfach aus Gewohnheit CSU wählen.
Die CSU ist kein Selbstläufer
Im Wohlfühlparadies sucht man Wahlplakate vergebens. Darauf angesprochen, erklärt der CSU-Ortsvorsitzende Ingo Mehner, dass ein Sturm die meisten von den Laternenpfählen gerissen habe, und dass wohl keiner mehr Lust gehabt hätte, sie noch einmal aufzuhängen.
Lediglich vor dem Rathaus finden wir mit Nummern versehene Stelltafeln mit den Plakaten der Parteien. Nr. 1: CSU mit Horst Seehofer, dem bayerischen Ministerpräsidenten, der hier gar nicht zur Wahl steht. Nr. 2: der SPD-Direktkandidat. Und dann alle anderen Parteien, mit ihren örtlichen Kandidaten. Trotz wochenlanger Anfrage kam weder mit den Sozialdemokraten noch mit den Grünen ein Interview zustande. Warum kämpfen, wenn man doch Splitterpartei bleibt?
Für den Fotografen Heinz Hirz ist der Fall klar. "Wenn sie hier auf eine Kuh CSU malen, dann wird auch die Kuh gewählt." Christof Botzenhart, einer der drei CSU-Bürgermeister, will das nicht gelten lassen. "Diese Zeiten sind auch in Bad Tölz lange vorbei. Wenn wir uns jetzt zurücklehnen und sagen würden: Die CSU gehört zur bayerischen Folklore, die wird von selber gewählt - dann wären wir morgen weg vom Fenster. Wir müssen uns das schon täglich in unserer politischen Arbeit erarbeiten."
Für die 150 Mitglieder des CSU-Ortsvereins ist Politik harte Arbeit. 25 bis 30 Veranstaltungen organisieren sie im Jahr. Vor jeder Stadtratssitzung gibt es eine Bürgerversammlung zur Tagesordnung. Und nicht zu vergessen: die Vereine.
Gefühlt ist jeder in mindestens drei Vereinen
170 Vereine gibt es in Bad Tölz. Gebirgsschützenkompanien, die "Isarwinkler Goaslschnalzer", drei Trachtenvereine und neben den zahlreichen Brauchtumsvereinigungen noch jede Menge Sportvereine. Der größte Verein ist der hiesige Deutsche Alpenverein mit 6500 Mitgliedern. Da gibt es nicht nur die wöchentlichen Wandergruppen der Hochbetagten, sondern auch Paragliding und seit neustem eine Mountainbike-Gruppe. Der Vorsitzende Paul Schenk schwärmt davon, wie sehr das die Gemeinschaft stärkt. Und die zahlreichen Angebote für die Jugendlichen hätten auch einen positiven Nebeneffekt: "Wenn die von ihrer Mountainbike-Tour kommen, dann schleppen sie nicht mehr aus Langeweile Parkbänke in die Isar".
Auch die CSU-Mitglieder sind in drei bis fünf Vereinen. Basiskontakt, Präsenz zeigen und immer wissen, welcher Schuh dem Volk drückt. Für den CSU-Ortsvorsitzenden Mehner ist das das ganze Geheimnis des Erfolges: Als Volkspartei verstehe sich die CSU nicht als Partei einer Schicht, sondern aller. Und da müsse man auch die Sorgen aller kennen und danach handeln.
Die Flüchtlingskrise haben sie gut gemeistert
So war das auch, als 2015 weit über 400 Flüchtlinge nach Bad Tölz kamen. Die Flüchtlinge wollte man auf keinen Fall in den Sporthallen unterbringen. Das hätte Ärger mit den Sportvereinen bedeutet. Also baute man gleich vernünftige Unterkünfte, die man auch noch in zehn Jahren an Geringverdiener vermieten kann. Der Flüchtlingshelferkreis in Bad Tölz hat immer noch immer über zweihundert ehrenamtliche Mitglieder. Um das große Engagement zu koordinieren, genehmigte die Stadt eine Stelle.
Ingo Mehner ist davon überzeugt, dass die Flüchtlingskrise nicht so gut gemeistert worden wäre, wenn die CSU nicht ihre Schwesterpartei CDU und die anderen Parteien so getrieben hätte. Denn als Volkspartei wissen sie, wie die Menschen ticken; und deshalb seien viele Menschen in Deutschland froh, dass die CSU im Bundestag sei.
Einige Christsoziale bedauern, dass man nicht auch die absolute Mehrheit im Bund erringen könne - und meinen das nicht als Drohung, sondern als Verheißung.