Belarus sucht Energie-Kooperation mit dem Iran
24. Mai 2007Geographische Entfernung ist für die belarussische Führung kein Hindernis für politische Nähe: Der zusammen mit Venezuela und jetzt auch mit dem Iran propagierte "Widerstand gegen den amerikanischen Imperialismus" kennt keine Grenzen. "Gleich, wie sich die politischen Beziehungen Irans mit den USA oder anderen Ländern gestalten: Der Iran bleibt ein großer Handelsstaat", sagt der belarussische Politikwissenschaftler Jurij Schewzow. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Iran und Belarus sind allerdings noch nicht vorzeigbar: Der Warenumsatz erreichte im vergangenen Jahr nur 35,5 Millionen Dollar.
Keine Markt-Präsenz
Der belarussische Präsident Aleksandr Lukaschenko möchte das Handelsvolumen auf eine Milliarde steigern - nur wie? Das gemeinsame Projekt zur Montage iranischer Autos rentiert sich nicht, der Preis eines "Samand"-Wagens ist für die Belarussen nicht attraktiv genug. Dieses Jahr soll in Belarus eine iranische Bank eröffnen. Aussichtsreiche Kooperationen werden auch im Bereich der Waffenlieferungen vermutet. "Wir sind auf dem iranischen Markt einfach nicht präsent - im Unterschied zu Frankreich, Deutschland oder Holland", so Schewzow. "Der Iran kann in Belarus vorteilhaft seine Petrodollar investieren."
Kooperations-Angebote
Für Belarus ist die Zusammenarbeit im Energiesektor am wichtigsten. Nicht umsonst bedankte sich der belarussische Präsident bei seinem iranischen Amtskollegen Ahmadinedschad für die "Unterstützung in einer solch sensiblen Frage wie der Förderung von Rohstoffen". Lukaschenko wiederholte gegenüber dem iranischen Präsidenten, was dieser offenbar zuvor an Kooperationsmöglichkeiten angeboten hatte. "Sie haben gesagt, dass wir in allernächster Zukunft im Iran Erdöl fördern und dort verarbeiten dürfen, wenn wir dies wollen", so Lukaschenko, "beziehungsweise, dass wir das Erdöl mitnehmen und in einer beliebigen Region der Welt verkaufen dürfen. Dasselbe haben Sie über die Förderung und Verarbeitung von Erdgas gesagt."
Theorie und Praxis laufen auseinander
Das Hauptinteresse Teherans in Belarus besteht nach Meinung von Jurij Schewzow darin, am Transit über die Erdölleitung Odessa-Brody beteiligt zu werden. "Wenn sich der Iran an die petrochemische Industrie von Belarus, der leistungsstärksten in ganz Osteuropa, anhängen könnte, dann könnte man auch noch über Mehr und Größeres nachdenken." Nicht ganz so euphorisch sieht das der Politologe Andrej Fedorow. "Theoretisch ist das möglich, aber praktisch stelle ich es mir schwierig vor", gibt er zu bedenken, und zwar "vor allem wegen des Ansehens des Iran in der Welt." Fedorow zufolge wird der Besuch Ahmadinedschads in Minsk keine langfristigen Auswirkungen haben.
Russland baut "Umgehungsstrecken"
Während die Präsidenten von Belarus und Iran von einer Zusammenarbeit im Energiesektor träumen, unterzeichnete Russlands Ministerpräsident Michail Fradkow eine Anordnung zum Bau eines zweiten Zweigs des Baltischen Pipelinenetzes – und zwar an Belarus vorbei. Das wird den Einfluss, den Minsk in Zukunft auf die russischen Erdgaslieferungen nehmen kann, wesentlich verringern. Wenn man bedenkt, dass Russland ein solches Umgehungs-Manöver auch für die Erdöl-Lieferstrecke plant, kann man die Suche der belarussischen Führung nach neuen Rohstoffmärkten verstehen. Die Frage ist nur, ob sie an der richtigen Stelle sucht und ob die Suche ökonomisch gerechtfertigt ist.
Experten sind skeptisch
Der einstige Minister für Außenwirtschaftsbeziehungen, der ehemalige Diplomat und Präsidentschaftskandidat Michail Marinitsch, rät der Führung seines Landes, an dem bewährten Prinzip "ein alter Freund ist besser als zwei neue" festzuhalten, denn "gerade die Nähe der russischen Erdölgebiete ermöglicht auch Belarus Einnahmen", erklärt er. Auch der Leiter des Forschungszentrums Strategie, Leonid Saiko, sieht in den Energieressourcen im Nahen Osten keinen Ersatz für russische Lieferungen. Belarus brauche nicht so viel Erdöl, außerdem würden die iranischen Lieferungen zu teuer. Belarus wolle nur deshalb mehr Öl, weil es daran gewöhnt sei, mit der Erdölverarbeitung Geld zu verdienen. Die beste Lösung, so Saiko, wäre eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland – selbst, wenn der Preis dafür der Verkauf der belarussischen erdölverarbeitenden Betriebe an Russland wäre.
Sergej Pantschenko, Andrej Alechnowitsch
DW-RADIO/Belarus, 22.5.2007, Fokus Ost-Südost