Breite Unterstützung für Peter Steudtner
25. Oktober 2017"Völlig absurd" seien die Vorwürfe gegen Peter Steudtner, sagte die Türkei-Expertin von Amnesty International, Marie Lucas, am Morgen bei einer Kundgebung vor der türkischen Botschaft in Berlin. "Wenn man sich die Anklageschrift anschaut, ist die wirklich völlig substanzlos." Darin werde friedliche Menschenrechtsarbeit kriminalisiert.
Steudtner war im Juli während eines Workshops für türkische Menschenrechtsverteidiger festgenommen worden, an dem er als Trainer teilnahm. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Eine reguläre Fortbildung für Menschenrechtler werde "in ein konspiratives Geheimtreffen umgedeutet", kritisierte auch Markus Beeko. Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland verfolgte den Auftakt des Prozesses gegen Steudtner im Gerichtssaal in Istanbul, in dem sich viele internationale Beobachter drängten.
Bei ihrem Protest in Berlin formten die Aktivisten von Amnesty International mit großen schwarzen Lettern das Wort "Freiheit". Diese fordern sie nicht nur für Peter Steudtner, sondern auch für zehn weitere Menschenrechtler, die mit ihm angeklagt sind. Darunter ist auch Idil Eser, die Direktorin von Amnesty International in der Türkei. Die türkische Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, bewaffnete Terror-Organisationen zu unterstützen oder deren Mitglieder zu sein. Darauf stehen in der Türkei 10 bis 15 Jahre Haft. Steudtner selbst wies vor Gericht alle Terror-Vorwürfe zurück und forderte seine Entlassung aus der Untersuchungshaft. "Ich plädiere in allen Anklagepunkten auf nicht schuldig." Das berichtete der Bundestags-Abgeordnete Öczan Mutlu (Die Grünen) per Twitter aus dem Gerichtssaal.
Die Bundesregierung hat die Festnahme Steudtners scharf kritisiert und in der Folge ihren außenpolitischen Kurs gegenüber der Türkei verschärft. Im Gerichtssaal in Istanbul verfolgte nicht nur der deutsche Generalkonsul Georg Birgelen den Prozess, auch im Auswärtigen Amt wurde dieser mit großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme beobachtet.
"Die Türkei hat sich aus unserer Sicht als Mitglied des Europarats menschenrechtlichen Standards unterworfen, an denen sie sich messen lassen muss", erklärte eine Außenamts-Sprecherin in Berlin. Dies gelte gerade auch bei einem Verfahren, in dem Vertreter einer international renommierten Organisation wie Amnesty International mit auf der Anklagebank säßen. "Die Türkei verweist stets auf die Unabhängigkeit ihrer Justiz. Das respektieren wir", ergänzte die Sprecherin. Sie hoffe, dass das Verfahren "ein ermutigendes Zeichen für Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz auch im Fall von Peter Steudtner setzen" werde.
Auch viele Bundestagsabgeordnete nehmen Anteil am Verfahren gegen Peter Steudtner. In diesem Prozess könne die Türkei beweisen, dass die Rechtsstaatlichkeit funktioniere, sagte der CDU-Außenpolitiker Andreas Nick der Deutschen Welle. "Es wird ein entscheidendes Signal auch für die deutsch-türkischen Beziehungen sein, ob dieser Prozess internationalen rechtsstaatlichen Standards gerecht wird oder nicht." Ähnlich sieht es der Grünen-Politiker Özcan Mutlu, der die Anklageschrift als "Ansammlung von Verschwörungstheorien" charakterisiert. Falls Steudtner nicht freikomme, sei eine "weitere Eskalationsstufe in den deutsch-türkischen Beziehungen" erreicht.
Die Bundesregierung bekräftigte, dass sie alle verfügbaren Kanäle nutze, um Steudtner, Deniz Yücel, Mesale Tolu und die anderen in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger freizubekommen. "Wir arbeiten weiter für dieses Ziel und wir werden nicht aufhören, dafür zu arbeiten", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Erst am Dienstag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Ehefrau des Journalisten Deniz Yücel getroffen, der seit acht Monaten in der Türkei in Untersuchungshaft sitzt.