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Politik

Streit über Regierungsprogramm

Nina Werkhäuser
21. März 2018

Eine Woche nach ihrer Wahl zur Kanzlerin hat Angela Merkel ihr Regierungsprogramm vorgestellt: Sie will die Spaltung der Gesellschaft überwinden, die sich aber bereits in ihrer eigenen Regierung manifestiert.

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Bundestag - Angela Merkel gibt Regierungserklärung ab: Plenum
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/O. Messinger

Es war nicht der hoffnungsvolle Ausblick auf Neues, den Angela Merkel an den Anfang ihrer einstündigen Rede im Bundestag stellte. Vielmehr begann sie mit einer Beschreibung des Landes, das sie in ihrer nunmehr vierten Amtszeit regiert: Deutschland sei ein gespaltenes Land, die Gesellschaft polarisiert - und diese Spaltung wolle sie überwinden. Denn dafür sei sie, kurz gesagt, mit verantwortlich. Diverse Fehleinschätzungen hätten letztlich zur sogenannten Flüchtlingskrise des Jahres 2015 geführt, die Deutschland nachhaltig verändert habe. Ein Beleg dafür sei der Stimmenverlust von CDU, CSU und SPD bei der Bundestagswahl. Obwohl es Deutschland wirtschaftlich sehr gut gehe, machten sich viele Menschen Sorgen und hinterfragten den Rechtsstaat.

Der Ton wird auch im Bundestag rauer

Während Merkel im Bundestag in ihrem pinken Blazer am Rednerpult steht, hat sie die Folgen direkt vor Augen: Bekam sie während ihrer letzten Amtszeit relativ mauen Gegenwind von genau zwei Parteien - den Grünen und der Linken - sitzen nun vier Oppositionsparteien im Bundestag und warten nur darauf, ihr Regierungsprogramm zu zerpflücken. Blickt sie nach rechts, schaut sie in die teils finsteren, teils spöttischen Gesichter der 92 Abgeordneten der "Alternative für Deutschland" (AfD), die sich selbst als "Stimme der Bürger im Bundestag" sehen. Daneben sitzt die FDP-Fraktion, die mit Christian Lindner von einem ihrer schärfsten Kritiker angeführt wird. Die Zeiten, in denen Merkel im Parlament beruhigt auf Autopilot schalten konnte, sind offenkundig vorbei. Bei ihrer Wahl zu Bundeskanzlerin bekam sie nur neun Stimmen mehr als nötig. 

Beginnt die seit 12 Jahren regierende Kanzlerin ihre vierte Amtszeit aus diesem Grund nicht mit Zukunftsvisionen, sondern mit einer Mischung aus Selbstkritik, Rechtfertigung und Problemanalyse? Die Aufnahme von fast 900.000 Flüchtlingen in kürzester Zeit sei richtig gewesen, führt sie aus, dürfe sich aber keinesfalls wiederholen. Daher werde sie das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei "immer verteidigen". Nicht mehr als maximal 220.000 Flüchtlinge im Jahr sollten nach Deutschland kommen. Und was die Stimmung hierzulande angehe: Nicht nur für Flüchtlinge müsse etwas getan werden, sondern auch für die Einheimischen, erklärt Merkel - und nimmt damit eine Kritik auf, die im Wahlkampf vielfach zu hören gewesen ist. Erst danach führt sie aus, was sie gegen die Kinderarmut, den Pflegenotstand und das teils lahme Internet in Deutschland tun will. Und verurteilt erstmals die türkische Offensive auf das nordsyrische Afrin, und zwar "auf das Schärfste".  

AfD kritisiert "Masseneinwanderung"

Die AfD, die im Plenum nicht nur ganz rechts sitzt, sondern sich auch politisch dort verortet, antwortet als größte Oppositionsfraktion zuerst auf Merkel. Die Kanzlerin habe zum ersten Mal wieder von "Deutschen" gesprochen, lobt Fraktionschef Alexander Gauland, und verbucht das sogleich als Erfolg der AfD. Wie gewohnt lässt Gauland kein gutes Haar an ihrer Flüchtlingspolitik: "Die Masseneinwanderung geht ungebremst weiter", beklagt er. Allein das Wetter auf dem Mittelmeer entscheide, wie viele Flüchtlinge kämen. "Es gibt keine Pflicht, meinen Staatsraum mit fremden Menschen zu teilen." Bei diesem Thema, das ist klar, wird die AfD die neue Bundesregierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter Druck setzen. 

Bundestag - Angela Merkel gibt Regierungserklärung ab: Alexander Gauland
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland übte scharfe Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Angela Merkel müsse beweisen, dass sie dem Vertrauensverlust durch eine vernünftige Einwanderungs- und Integrationspolitik begegnen könne, findet auch FDP-Fraktionschef Christian Lindner, der sich bereits Gedanken über Merkels Platz in den Geschichtsbüchern macht: "Der Charakter Ihrer Kanzlerschaft ist offen", doziert Lindner, während er sich zu Merkel hindreht, die inzwischen auf der Regierungsbank Platz genommen hat. Außerdem sollten CDU und CSU nicht weiter über die Frage streiten, ob der Islam zu Deutschland gehöre. "Wem nützt diese Uneinigkeit?", fragt Lindner.

Streit in der neuen Regierung 

Merkel hatte in ihre einstündige Rede auch eine Botschaft an den neuen Innenminister Horst Seehofer (CSU) integriert, der mit seiner Äußerung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, einen Streit in der gerade erst vereidigten schwarz-roten Bundesregierung ausgelöst hat. Die von Merkel adressierte Spaltung der Gesellschaft spiegelt sich also auch in ihrer eigenen Regierungsmannschaft wider. Die Religion der 4,5 Millionen Muslime, die hierzulande lebten, sei "ein Teil Deutschlands geworden", erklärte die Kanzlerin - auch wenn es für einige schwierig sei, diesen Gedanken anzunehmen. Während Merkel ihren früheren Dauer-Kritiker Seehofer damit in die Schranken wies, verteidigte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Position Seehofers. Der Opposition bot der Streit in der Regierung eine willkommene Angriffsfläche. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch mokierte sich über den chaotischen Start der neuen Bundesregierung, die im Übrigen eine "reine Not-Koalition" sei.

Merkel: "Deutschland kann es schaffen"

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte CDU, CSU und SPD auf, "nicht wieder eine schwarz-rote Trutzburg" zu bilden, sondern auch auf Argumente der Opposition einzugehen. Nur so könnten die Identifikation der Bürger mit dem Rechtsstaat und der Demokratie wieder gestärkt werden. In diesem Punkt lag er nicht weit entfernt von Merkel, die das Ziel ausgab, den Zusammenhalt in der Gesellschaft wieder zu stärken und die Spaltung zu überwinden. "Ich bin überzeugt, Deutschland kann es schaffen", fasste Merkel ihre Ambitionen zusammen. "Und heute füge ich hinzu: Und Deutschland, das sind wir alle."

Nina Werkhäuser Reporterin
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