CAS hebt Olympia-Sperren für Russen auf
1. Februar 2018Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat im Zusammenhang mit dem russischen Staatsdopingskandal vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS eine schwere Niederlage erlitten. Der CAS hob am Donnerstag die vom IOC verhängten lebenslangen Olympiasperren gegen 28 russische Sportler auf, weil es keinen individuellen Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln feststellen konnte. Auch die von den Sportlern bei den Winterspielen 2014 in Sotschi erzielten Erfolge sind wieder gültig. In elf weiteren Fällen wurden Verstöße festgestellt und die Einsprüche nur teilweise bestätigt.
Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass die entlasteten Sportler, darunter die Sotschi-Olympiasieger Alexander Legkow (Langlauf) und Alexander Tretjakow (Skeleton), nun an den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) teilnehmen dürfen. Da ihnen keine Einladung des IOC vorliegt, müssten sie zunächst ihr Startrecht einklagen. Legkows deutscher Anwalt Christof Wieschemann ließ über seine Kanzlei mitteilen: "Wir sind glücklich, am Ende die Unschuld des Athleten haben beweisen können, an die wir von Anfang an geglaubt haben."
IOC bedauert Urteil und bleibt hart
Das IOC erklärte sich kurz nach dem Urteil in einer Stellungnahme: "Das IOC hat das CAS-Urteil zur Kenntnis genommen, mit Befriedigung auf der einen und Enttäuschung auf der anderen Seite. Auf der einen Seite beweist die Bestätigung des Verstoßes gegen die Anti-Doping-Richtlinien von elf Athleten aufgrund der Manipulation ihrer Dopingproben klar die Existenz von systemischer Manipulation des Anti-Doping-Systems bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014", heißt es. Auf der anderen Seite bedauere man, dass - laut der CAS-Pressemitteilung - die Gremien die bewiesene Existenz systemischer Manipulation des Anti-Doping-Systems in den anderen 28 Fällen nicht berücksichtigt hätten. Dass der CAS eine noch höhere Beweisdichte als die zuständige IOC-Kommission fordere, könne in Zukunft erheblichen Einfluss auf den Kampf gegen Doping haben.
In Bezug auf die Teilnahme von Athleten aus Russland an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang 2018 gelt die Entscheidung der IOC-Exekutivsitzung vom 5. Dezember 2017 nach wie vor: "Diese besagt, dass russische Athleten nur dann in Pyeongchang teilnehmen können, wenn das IOC sie einlädt, solange das russische Nationale Olympische Komitee (ROC) gesperrt ist. Das Ergebnis des CAS-Urteils bedeutet nicht, dass nun Athleten aus der 28-köpfigen Gruppe zu den Spielen eingeladen werden. Nur weil sie nicht länger gesperrt sind, bekommen sie nicht automatisch das Privileg einer Einladung." Nach eingehender Prüfung hatte das IOC zuvor 169 russischen Athleten erlaubt, in Südkorea anzutreten.
Der renommierte deutsche Sportrechtler Michael Lehner sprach von einer "weiteren Peinlichkeit für das IOC, das den starken Mann markieren wollte". Das Vorpreschen des Dachverbandes habe nicht funktioniert. "Die Frage war doch: Kann das IOC so vorpreschen, ohne dass ein Doping-Verfahren stattgefunden hat - der CAS hat die Antwort gegeben. Auch das IOC muss sich in die Regeln einordnen, die es selber mitgeschaffen hat", sagte Lehner dem Sportinformationsdienst (SID).
Rodschenkow-Anwalt: "CAS stärkt Betrüger"
Die russische Regierung nahm die Aufhebung der lebenslangen Doping-Sperren für 28 Sportler mit großer Erleichterung auf. "Wir sind froh, dass die Gerechtigkeit endlich triumphiert hat", sagte Sportminister Pawel Kolobkow in Moskau. Die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS bestätige, dass die Athleten "sauber" seien. Nun erwarteten die Sportler, dass das IOC reagiere und sie auch zu den Olympischen Winterspielen in Südkorea zulasse, sagte Kolobkow der Agentur Interfax zufolge. Russland, so Kolobkow, werde bis zuletzt und mit allen juristischen Mitteln für eine Teilnahme seiner Sportler an den Olympischen Winterspielen in Südkorea kämpfen. So seien bei einem Schweizer Zivilgericht Klagen der Sportler eingereicht worden, die wegen vergangener Doping-Verstöße nicht zu den Spielen in Pyeongchang zugelassen worden seien. Außerdem habe das Sportschiedsgericht CAS in Lausanne signalisiert, dass Fälle noch bis zum 5. Februar verhandelt werden könnten. "Wir werden für jeden Sportler kämpfen", sagte der Minister.
Drastische Worte fand der Anwalt des Doping-Kronzeugen Grigori Rodschenkow, der den Freispruch des CAS scharf verurteilte. "Diese Entscheidung des CAS bestärkt allein die Betrüger, macht sauberen Athleten das Siegen schwerer und bedeutet einen weiteren unrechtmäßigen Erfolg für das korrupte russische Doping-System im Allgemeinen und Putin im Besonderen", wurde der New Yorker Jurist Jim Walden in einer Mitteilung zitiert. Rodschenkow, ehemaliger Leiter des Moskauer Doping-Anamyselabors und jetziger Doping-Kronzeuge gegen Russland, hatte am Montag Wladimir Putin erstmals namentlich der Mitwisserschaft im russischen Dopingskandal bezichtigt. Der hatte den Vorwurf wütend abgewiesen und Rodschenkow einen "Idioten" genannt.
Aus dem Sport gab es Verständnis für die CAS-Entscheidung: Andreas Trautvetter, Vizepräsident des Bob- und Skeleton-Weltverbandes IBSF, fühlte sich im Umgang mit den zuvor gesperrten Russen bestätigt: "Diese Entscheidung vom CAS habe ich erwartet, weil die europäische Rechtslage gilt. Da gilt die Unschuldsvermutung bis man die Schuld nachgewiesen hat. Die Beweise waren von Beginn an nicht ausreichend", sagte er.
Nur Belugin verzichtet
Insgesamt waren 42 russische Athleten vor den CAS gezogen. Zunächst wurden aber nur 39 Fälle behandelt, die der Biathletinnen Jana Romanowa, Olga Wiluchina und Olga Saizewa wurden vertagt. Zum jeweils dreiköpfigen Richterpanel gehörten auch der Augsburger Rechtswissenschaftler Christoph Vedder und der Münchner Anwalt Dirk-Reiner Martens. Die Anhörungen waren nicht öffentlich.
Das IOC hatte insgesamt 43 russische Sportler lebenslang für Olympische Spiele gesperrt. Nur der Bobfahrer Maxim Belugin, der in Sotschi Vierter geworden war, legte keine Berufung ein.
asz/stu/sam (afp, dpa, sid)