Weltweit geraten Christen stärker unter Druck
15. Januar 2020Zum 19. Mal in Folge (!) belegt Nordkorea den ersten Platz auf dem "Weltverfolgungsindex" des christlichen Hilfswerks "Open Doors". Mehrfach hat mittlerweile Donald Trump den nordkoreanischen Staatsführer Kim Jong Un getroffen. Etwaige Auswirkungen dieser Begegnungen sucht man in dem Open-Doors-Bericht vergebens. Dem Regime in Nordkorea sei "alles Christliche verhasst". Die Herrscherdynastie der Kims lasse sich selbst wie Gott verehren. Zehntausende Christen müssten in Straflagern schwerste Zwangsarbeit leisten.
Im Ranking des Hilfswerks hat sich unter den Top Ten gegenüber 2019 kaum etwas geändert. Es sind die gleichen Länder in fast identer Reihenfolge. Hinter Nordkorea folgen erneut Afghanistan, Somalia, Libyen, Pakistan, dann Eritrea und Sudan, die lediglich die Plätze wechselten, dann Jemen, der Iran - und Indien. Tatsächlich hat sich Indien in dieser Statistik des Grauens als einziger großer Industriestaat festgesetzt. Die schlimmsten Anschläge auf Christen mit mehr als 200 Toten gab es 2019 an Ostern auf Kirchen in Sri Lanka; das Titelbild zeigt eines der zerstörten Gotteshäuser.
Ausnahme Türkei
Allerdings nimmt laut Index, der dazu verschiedene Einzelaspekte analysiert und in einem Punktesystem bewertet, die Intensität der Verfolgung seit Jahren zu. Nach aktuellen Schätzungen litten in den 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung derzeit rund 260 Millionen Christen unter hoher bis extremer Verfolgung. Noch vor sechs Jahren galt "extreme Verfolgung" nur für ein Land: Nordkorea. Um nicht nur negative Entwicklungen anzuführen: Im Jahresvergleich gibt es einzelne deutliche Sprünge. So fiel die Türkei von Rang 26 auf Rang 36, die Zentralafrikanische Republik von 21 auf 25, Mali von 24 auf 29, und Mexiko, vor Jahresfrist noch auf 39, taucht in den 50 Ländern gar nicht mehr auf.
Trotz der leichten Entspannung in Mali: Besonders besorgt zeigt sich "Open Doors" über die Lage der Kirchen in Ländern südlich der Sahara und spricht von einem "regelrechten Krieg gegen christliche Gemeinden". Diese sähen sich mit einer neuen Welle von Gewalt konfrontiert. Dafür verantwortlich seien islamistische Gruppen, die Länder wie Nigeria, Mauretanien, Burkina Faso, Mali, Kamerun, Niger und weitere systematisch destabilisierten. Viele Täter blieben straffrei. Sie attackierten Regierungsbehörden und das schwache Militär, gezielt aber auch Dörfer mit überwiegend christlicher Bevölkerung. Sie ermordeten Kirchenleiter, würden Kirchen brandschatzen, zerstörten die Häuser und Geschäfte von Christen und töteten mitunter ganze christliche Familien.
Die Sorgen eines Bischofs
Der Bericht zitiert den katholischen Bischof von Dori in Burkina Faso, Laurent Birfuoré Dabiré: "Wenn die Welt weiterhin nichts tut, wird es hier bald keine Christen mehr geben." Besorgnis mit Blick auf die gesamte Sahelzone hatte vor wenigen Wochen auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz geäußert.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte forderte angesichts des Berichts einen höheren Stellenwert der Religionsfreiheit innerhalb der deutschen Politik und der Europäischen Union. Es falle auf, dass gerade jene Länder im Ranking besonders schlecht abschnitten, "die uns im außen- und sicherheitspolitischen Bereich zum Teil allergrößte Sorgen bereiten", erklärte er in Berlin. Hirte ist Vorsitzender des Stephanuskreises in der Unionsfraktion, der sich für verfolgte Christen engagiert. Konkret sprach er sich dafür aus, das 2016 geschaffene Amt eines EU-Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit außerhalb der Europäischen Union zu verstetigen und mit mehr Mitteln auszustatten.
Das Hilfswerk unterstützt nach eigenen Angaben verfolgte Christen in etwa 60 Ländern weltweit. Die Organisation bezeichnet sich als überkonfessionell, steht aber der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz nah. Nicht immer wird mit Nothilfeprogrammen geholfen, sondern auch mit der Lieferung von Bibeln, der Unterstützung von deren Übersetzung und theologischen Schulungen.
Die Daten für den Weltverfolgungsindex werden über Antworten zu einem umfangreichen Fragenkatalog ermittelt, den das Netzwerk alljährlich eigenen Fachleuten, externen Experten und Kirchenleitern vor Ort vorlegt. Trotz Schwächen kann das Ranking bei einer Einordnung helfen, weil die Befragten vor Ort einen unmittelbaren Einblick in die Situation des betreffenden Landes haben.