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Der Ball ist nicht rund

5. Februar 2010

Wie jedes Jahr wirft der Super Bowl seine Schatten voraus. Dabei geht es diesmal in den Diskussionen über das Football-Event des Jahres um andere Themen als sonst: Abtreibung und Gehirnerschütterungen.

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Fernschreiber (Grafik: DW)
Bild: DW

Es ist primitiv und martialisch. Keine Frage. Aber auch elegant, athletisch und spannend. Und so sind auch wir inzwischen der Faszination des American Football erlegen. Dabei pilgern wir nicht, wie viele Amerikaner, zu jedem Heimspiel unseres Lieblingsvereins. Aber einmal waren wir immerhin schon live im Stadion. Und den Super Bowl am Sonntag lassen wir uns – vor dem Heimkino, sonst wäre es unbezahlbar – natürlich auch nicht entgehen.

Wir werden allerdings nicht wieder den Fehler machen und deutsche Freunde einladen. Die finden das alles nur wieder total komisch und stellen irgendwann mitten im Spiel fest, dass sie doch eigentlich dringend nach Hause müssen. Da nützt auch die Riesenleinwand und das leckere Essen nichts. Nein, dieses Jahr lädt sich unser Sohn seine amerikanischen Kumpels zu Pizza, Chips und Cola ein. Und mein Mann und ich wollen in eine Sportbar gehen. Wir recherchieren noch, wo es die besten Plätze gibt.

Ein besonderer Werbespot

Christina Bergmann (Foto: DW)
Christina Bergmann

Unter all den Amerikanern werden wir uns dann wahrscheinlich trotz der Begeisterung als totale Außenseiter outen. Alle Football-Regeln, muss ich gestehen, habe ich immer noch nicht verstanden. Aber das macht ja nichts. Hauptsache die Stimmung ist gut. Und falls wir die Werbespots nicht mitbekommen, kein Problem, die gibt’s danach im Internet. Die Werbung während des Super Bowls ist nämlich nicht nur unglaublich teuer, sondern die Firmen wetteifern vor allem mit Witz und Originalität darum, zum besten Spot gekürt zu werden. Da machen die Werbepausen richtig Spaß.

Über einen Werbespot wird in diesem Jahr schon seit langem debattiert: Die Organisation "Focus on the Family" hat 30 Sekunden Werbezeit gekauft, in der College-Football-Star Tim Tebow und seine Mutter auftreten. Genaues ist noch nicht bekannt, aber der Hintergrund ist klar: Als Mrs. Tebow mit Tim schwanger war, rieten die Ärzte aus medizinischen Gründen zu einer Abtreibung. Wegen ihres Glaubens, so erklärte Pam Tebow, habe sie anders entschieden. Tim, der spätere College-Football-Star, wurde, entgegen der Vorhersage der Ärzte, gesund geboren.

Die Zeiten ändern sich

Also eine Anti-Abtreibungs-Werbung während des Super Bowls? Jede Art von politischer Werbung war hier bisher verpönt. Aber die Zeiten werden härter, offensichtlich gibt es inzwischen mehr Werbezeit als Angebote, so dass der US-Fernsehsender CBS, der das Spiel überträgt, wohl nicht nein sagen konnte. In den Zeitungen und Blogs wird nun darüber spekuliert, wie die Fans reagieren und vor allem, ob damit der Bann für politische Stimmungsmache im Super Bowl gebrochen ist.

Ein anderes Tabu ist bereits gefallen. Das renommierte Magazin "Time" hat auf dem Titelbild seiner aktuellen Ausgabe einen zerfetzten Football und die Überschrift: "Das allergefährlichste Spiel". In der Geschichte dazu geht es um die Langzeitfolgen der Gehirnerschütterungen, die die Spieler regelmäßig erleiden: Gedächtnisverlust, Apathie, Kopfschmerzen, chronische Verwirrtheit. Und das im Alter von 34 oder 37 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass Profi-Football-Spieler an Alzheimer erkranken, ist dramatisch höher im Vergleich zu anderen Männern ihres Alters.

Erste Konsequenzen

Eine Rolle spielt dabei der enorme Leistungsdruck: Keine Mannschaft will einen hoch bezahlten Top-Spieler an der Seitenlinie stehen lassen. So mussten die Profis bis vor kurzem oft direkt wieder auf Feld, auch wenn sie gerade bei einem Zusammenprall eine Gehirnerschütterung erlitten haben. Hinzu kommt der Macho-Effekt: Wer will schon als "Weichei" gelten. Also kurz schütteln und weiterspielen, auch wenn die Sicht getrübt ist und der Kopf schmerzt.

Erst im letzten Dezember, so berichtet Alan Schwarz von der New York Times, hätten die Verantwortlichen der National Football League zum ersten Mal zugegeben, dass die Gehirnerschütterungen Langzeitfolgen haben. Immerhin müssen Spieler mit Gehirnerschütterung jetzt das OK von einem unabhängigen Arzt haben, bevor sie wieder spielen dürfen.

Jugendliche noch mehr gefährdet

Die Diskussion über die gesundheitlichen Folgen der ständigen Kollisionen hat gerade erst angefangen, doch immer mehr ehemalige Football-Spieler sprechen über ihre Probleme. Dabei trifft es die Amateure noch viel härter: Auch im High-School-Football ist der Leistungsdruck mittlerweile groß. Neben Gehirnerschütterungen kommt es hier, so ist im Time Magazin zu lesen, auch immer wieder zu Querschnittslähmungen. Weil die Jugendlichen zum Beispiel nicht die richtige Tackling-Technik beherrschen, oder weil bei den Schul-Spielen kein Krankenwagen bereitsteht, um einen Verletzten sofort abtransportieren zu können. Als unser Sohn kurzfristig die Idee entwickelte, an seiner High School einen Football-Kurs zu belegen, war unsere Antwort schnell und eindeutig: Kommt überhaupt nicht in Frage.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Christian Walz