Der Reisepass: ein Stück Freiheit?
3. Januar 2025Biometrische Fotos, Strichcodes, Hologramme, Mikrochips: Der heutige Reisepass ist ohne Zweifel ein Stück moderner Technologie. Für manche öffnet es das Tor zur Welt, das für andere - ohne den richtigen Pass - verschlossen bleibt. Doch wie waren die Anfänge, wie kam es zur Einführung des zumeist viereckigen Dokuments?
Die Anfänge des Reisepasses
Bereits im 14. Jahrhundert gab es so etwas wie ein Reisedokument. Damals wütete die Pest in Europa und Städte wie Venedig suchten nach Lösungen, diese Krankheit einzudämmen. So entstand der Pestbrief – eine Bescheinigung, die jeder Einreisende vorzeigen musste. Falls dieser aus einer Pestregion kam, durfte er die Stadt am Lido nicht betreten.
Damals war das Reisedokument noch nicht an die Staatsbürgerschaft geknüpft, sondern an den Wohnort. Die Verknüpfung zwischen Nationalität und Pass kam später - im 20. Jahrhundert.
Die Einführung einheitlicher Pässe
Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstand die Idee eines weltweiten Standards für Pässe. Mit dieser Aufgabe wurde der neu gegründete Völkerbund, die Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, betraut.
Laut Hermine Diebolt, die in der Bibliothek und den Archiven der Vereinten Nationen in Genf (Schweiz) arbeitet, gibt es Pässe, wie wir sie heute kennen, erst seit etwa 100 Jahren.
Der 1920 aus der Taufe gehobene Völkerbund sollte den Frieden nach dem Ersten Weltkrieg sichern. In dieser Zeit zerfielen alte Kolonialreiche. Neue Nationalstaaten entstanden. Während des Krieges wurden viele Menschen vertrieben und hatten oft nur lokale Papiere, um ihre Identität nachzuweisen. Länder wie Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Italien verlangten schon während des Krieges, dass Menschen aus feindlichen Ländern offizielle Ausweispapiere vorlegten, um einreisen zu können.
Nach 1918, als viele Menschen auf der Flucht waren, hatten Grenzbeamte Schwierigkeiten, die vielen verschiedenen Reisedokumente zu überprüfen. Es war schwer zu erkennen, ob ein Pass echt war oder nicht. Deshalb musste auch dafür eine Lösung gefunden werden.
1920 versammelte der Völkerbund die Staats- und Regierungschefs der Welt in Paris, um einheitliche Regelungen für Reisedokumente zu verhandeln. Beschlossen wurde, dass Pässe überall gleich aussehen und die gleichen Informationen enthalten sollten.
Von nun an hatten Pässe 15,5 mal 10,5 Zentimeter zu messen, sie sollten 32 Seiten enthalten und auf der Vorderseite den Namen des Landes und das Wappen tragen. Dieses Format wird auch heute noch verwendet.
Freiheit für die einen, Hindernis für die anderen
Schon damals gab es Kritiker des Passes. Ihr Argument: Das Dokument diene weniger der Freiheit der Reisenden, als vielmehr ihrer Kontrolle. "Einige Staats- und Regierungschefs wollten lieber, dass alles so bleibt wie früher, als man sich noch frei bewegen konnte, ohne Dokumente mit sich zu tragen. Auch in der Öffentlichkeit und in der Presse war der Reisepass sehr unbeliebt. Die Menschen fanden, dass Pässe ihre Freiheit einschränken und ihre Privatsphäre verletzen. Außerdem war der Pass mit viel Bürokratie und Aufwand verbunden", erzählt Hermine Diebolt.
In einem Artikel der New York Times wurde der Reisepass im Jahr 1926 als "The Passport Nuisance" (auf Deutsch: Der Pass-Unfug) bezeichnet. Die Zeitung schrieb: "Müssen Pässe als ständiges Merkmal des Reisens beibehalten werden? Das System, das seit dem Krieg in Mode ist, ist umständlich, lästig und behindert den freien Verkehr zwischen den Nationen."
Doch es war zu spät, die Entwicklung aufzuhalten. Die Mitglieder des Völkerbundes konnten sich nicht darauf einigen, wie eine Welt ohne Grenzkontrollen und Pässe aussehen sollte. So blieb der Pass bestehen.
Der moderne Reisepass und die globale Ungleichheit
Bis heute kann ein Reisepass, ein einfaches Stück Papier, das Leben eines Menschen stark beeinflussen. Die Staatsangehörigkeit bestimmt, wohin jemand reisen und wo er sich aufhalten darf. Je nach Ursprungsland kann ein Pass seinem Träger extreme Privilegien verschaffen - oder auch Verzweiflung bereiten.
Pass-Rankings zeigen, wie viele Länder man mit einem bestimmten Pass ohne Visum besuchen kann. Laut dem "Global Passport Power Rank 2024" liegt der reiche Ölstaat Vereinigte Arabische Emirate an erster Stelle. Seine Bürger können in viele Länder reisen, während Menschen mit syrischem Pass die gegenteilige Erfahrung machen. Ein anderes Ranking, der Henley Passport Index, vergibt den ersten Platz an Singapur, dicht darauf folgen Frankreich und Deutschland.
Und was ist mit Menschen, die weder Staatsangehörigkeit noch Pass besitzen? Rund zehn Millionen Menschen auf der Welt sind staatenlos. Ein Grund könnte in der Diskriminierung ethnischer Gruppen liegen. Dem US-Institut für Diplomatie und Menschenrechte zufolge sind etwa 70 Prozent der Roma und Sinti in Deutschland staatenlos.
Ein Nachteil von Pässen tritt immer wieder zutage. Pässe gehören zu den meistbegehrten Handelsobjekten, nicht nur auf dem Schwarzmarkt. Manche Länder haben ihre Grenzen auch freiwillig für die Höchstbietenden geöffnet, beispielsweise die Mittelmeerinsel Zypern. Das Land hatte nach der Wirtschaftskrise 2013 mit der Vergabe "goldener" Pässe und Visa begonnen. Der Verkauf seiner Reisepässe war für Zypern ein lukratives Geschäft - bis kritische Fernsehberichte aufdeckten, dass hochrangige Politiker in diese Machenschaften involviert waren. Die Praxis der "goldenen Pässe" wurde offiziell eingestellt.
Mehr über das Thema Reisepässe erfahren Sie in unserer Podcast-Folge von "Don't Drink the Milk: The curious history of things", produziert von Charli Shield, Rachel Stewart und Sam Baker. Was ist der Nansen-Pass, wieso ist es so leicht, sich eine Staatsbürgerschaft von der Republik von Vevčani zu kaufen und vieles mehr: Der englischsprachige Podcast ist auf unserer Website zu hören - oder auf jeder beliebigen Podcastplattform.