Mischwälder gegen Klimasterben
22. November 2011Bernhard Götz zeigt auf den braun verkrusteten Stamm einer Jeffrey-Kiefer. Diese Kiefernart wächst eigentlich an der Westküste Nordamerikas. Seit einigen Jahren allerdings auch in Eberswalde, in einem kleinen Wäldchen direkt hinter dem Büro des Leiters des forstbotanischen Gartens der dortigen Fachhochschule. "Die Jeffrey-Kiefern wachsen in Nordamerika auf sehr armen, trockenen Standorten", erklärt Bernhard Götz. Das könnte für Brandenburg extrem wichtig werden, sagt Götz, sollten die aktuellen Prognosen der Klimaforscher eintreffen. "Wenn es wie vorhergesagt trockener und wärmer wird, dann gibt es ganz bestimmt Bereiche in Brandenburg, wo wir mit den heimischen Baumarten Probleme haben werden, überhaupt einen geschlossenen Wald zu halten."
Klimaopfer Kiefernwald
Noch ist das Flächenland Brandenburg geprägt durch die heimische Waldkiefer, wohin das Auge reicht. 1,1 Millionen Hektar Wald bedecken das Land - ein Großteil davon sind Kiefern-Monokulturen. Angepflanzt wurden die vom Menschen, um Holz für Zellstoff- und Baustoffindustrie zu gewinnen. Doch wird es in Zukunft übers Jahr gesehen heißer und trockener, dann seien die Kiefern-Reinbestände ein gefundenes Fressen für Schädlinge. "Wenn Sie einen Mischwald haben, dann findet ein Schädling immer nur wenige Baumarten, auf die es spezialisiert ist. Dort kann es sich also nicht so massenhaft vermehren, wie es beispielsweise in einer Monokultur, wo dieses Schadinsekt eben eine riesige Nahrungsgrundlage vorfindet und sich massenhaft vermehren kann", sagt Bernhard Götz.
Zudem seien viele heimische Baumarten schlicht überfordert, sich schnell genug auf weniger Wasser, höhere Temperaturen, andere Bodenqualitäten oder stärkere Stürme zu gewöhnen, sagt Peter Spathelf, Professor für angewandten Waldbau in Eberswalde. Wenn die Waldflächen den Klimawandel in den mitteleuropäischen Breitengraden überstehen sollen, dann müssen sie umgebaut werden – und zwar massiv. Der Waldkiefernanteil von heute 75 Prozent müsse in den nächsten 40 oder 50 Jahren sinken, sagt Spathelf. "Das Ziel ist, die Kiefer auf etwa 40 Prozent herunterzufahren."
Teurer Waldumbau
Die Forstwissenschaftler haben den Wettlauf gegen den Klimawandel aufgenommen. Bewaffnet mit Motorsäge, Schaufeln und Rollen von Drahtzäunen ziehen sie los, um auf einer 145 Hektar großen Waldversuchsfläche die Bäume zu setzen, die dem Klimawandel trotzen kann.
Jede zweite Kiefer wird dafür aus einem alten Monokultur-Bestand geschlagen, kleine lichtbedürftige Jungpflanzen in die Licht-Inseln gepflanzt, darunter Laubbäume wie Eichen und Buchen. Zuvor wurde Saatgut in der Baumschule gezogen, bis zur drei Mal umgepflanzt. Im Wald muss ein Zaun das Junggewächs vor Rehwild schützen, wilde Wucherpflanzen müssen zurückgeschnitten werden.
"So nach zehn Jahren dürfte man schon etwas sehen können", sagt Bernhard Götz. Der Waldumbau in Eberswalde hat seinen Preis: Ein Hektar klimaresistent umgebauter Wald verschlingen hier schnell Investitionen von 20.000 Euro.
Besonders schwierig ist die Suche von geeignetem Saatgut. Ob Jeffrey-Kiefern aus Amerika, Traubeneichen aus der Türkei, Kiefern aus Sibirien oder Nikko-Tannen aus Japan - welche Baumart wohl zum brandenburgischen Klima in 50 Jahren passen dürfte, ist schwer vorherzusagen.
Rund 100 Baum- und Straucharten werden beobachtet, wobei Kiefer hier eben nicht gleich Kiefer sei, sagt Ralf Kätzel. Er leitet am Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde die Abteilung Waldmonitoring. "Jede Kiefern-Population habe sich über Jahrtausende an die jeweiligen Standortbedingungen angepasst", betont Kätzel. "Die sibirische Kiefer hat natürlich andere Standortbedingungen als die spanische".
Und so testen die Eberswalder Forscher derzeit, ob beispielsweise Traubeneichen, die in der Ukraine, Bulgarien, Griechenland oder der Türkei verbreitet sind, besser auf das zukünftige Brandenburger Klima vorbereitet sind. Besonders vielversprechend sind Baumarten aus China, die am Rand der inneren Mongolei wachsen.
Doch ob die Suche von Erfolg gekrönt ist, hänge von vielen Faktoren ab, sagt Ralf Kätzel, "nicht zuletzt der Frostfaktor". Denn obwohl der Durchschnittstemperatur steigt, wird der Frost bleiben.
Ansonsten könnten Forstwirte ganz einfach Baumarten aus warmen Klimazonen nach Brandenburg holen. "Wir brauchen Bäume, die einerseits an die Trockenheit angepasst sind, andererseits aber auch eine hohe Frosttoleranz haben."
Alleskönner gesucht
Gesucht ist also der Alleskönner unter den Bäumen, was die Suche kompliziert macht und skeptische Blicke von Umweltschützern auslöst. Denn je mehr fremde Baumarten hiesige Wälder bevölkern, desto mehr befürchtet mancher Umweltschützer Störungen für das biologische Gleichgewicht.
Zudem seien Kiefern-Monokulturen keine "ökologischen Wüsten", sondern hätten bei Untersuchungen eine unerwartet hohe Artenvielfalt vor allem an Insekten aufgewiesen, heißt es von Kritikerseite weiter. Dennoch sind die Eberswalder Forstwissenschaftler davon überzeugt, dass sich der Aufbruch zum Mischwald lohnt. Denn nur wenn Licht- und schattenbedürftige, flach- und tiefwurzelnde Bäume und Sträucher sich abwechseln, könne ein Wald so stabil sein, dass er sich auch dem Klimawandel anpassen könne, sagt Bernhard Götz.
Und so geht das Experimentieren mit fremden Gehölzen weiter. Bei der Jeffrey-Kiefer im forstbotanischen Garten Eberswalde, auf den ersten Blick mit Erfolg. Doch Ralf Kätzel warnt vor verfrühter Euphorie: "Wir sehen jetzt zum Beispiel Versuche mit Douglasien in Sachsen, die sind 30 bis 40 Jahre alt, haben sich bisher bestens entwickelt und sterben jetzt nach dieser Zeit, und zwar massiv." Sein Tipp für alle, die Wälder Fit für den Klimawandel machen wollen, lautet daher: "30 Jahre Versuchsdauer sollte man schon einplanen."
Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Helle Jeppesen, Hartmut Lüning