Deutsche Unternehmen wieder optimistischer
25. Januar 2022Die Stimmung von Top-Managern in Deutschland hellt sich zum Jahresstart erstmals seit Juni wieder auf. Der Ifo-Geschäftsklimaindex - das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer - stieg im Januar überraschend auf 95,7 Punkte, nach 94,8 Zählern im Dezember, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Von Reuters befragte Fachleute hingegen hatten nur eine Stagnation erwartet.
"Die deutsche Wirtschaft startet mit einem Hoffnungsschimmer ins neue Jahr", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Chefinnen und Chefs bewerteten die Lage ihrer Firmen erneut skeptischer als zuletzt, blickten aber viel optimistischer nach vorn.
Ukraine-Konflikt belastet
Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe machte die Stimmung einen deutlichen Sprung nach oben. Die Unternehmen waren zufriedener mit den laufenden Geschäften und schätzten ihre Aussichten wieder besser ein. "Die Situation bei den Lieferengpässen bei Vorprodukten und Rohstoffen hat sich etwas entspannt." Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe warnte aber mit Blick auf die gesamte Konjunktur vor Euphorie. "Es gibt positive Signale. Aber von einer Trendwende zu sprechen ist noch zu früh", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer betonte, dass die Geschäftserwartungen in allen wichtigen Branchen deutlich gestiegen seien. "Offenbar schauen die Unternehmen zunehmend durch Omikron hindurch." Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe warnte allerdings vor negativen Auswirkungen der geopolitischen Lage: "Durch den Ukraine-Konflikt hat das Risiko zugenommen, dass Konjunkturerwartungen enttäuscht werden."
Bei den Dienstleistern stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex nach zuletzt drei Rückgängen in Folge wieder. "Der Pessimismus bei den Erwartungen ist verschwunden", erklärte Ifo-Chef Fuest. "Die Tourismusbranche blickt hoffnungsvoll auf den Sommer." Das Gastgewerbe stecke derzeit aber weiter in der Krise. Auch im Handel und am Bau legte die Stimmung zu.
Die deutsche Wirtschaft war Ende 2021 wohl etwas geschrumpft, nach erster Schätzung vom Statistischen Bundesamt um 0,5 bis 1,0 Prozent. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die Pandemie-Welle durch die Corona-Variante Omikron die Konjunktur auch im laufenden ersten Quartal bremst. Zuletzt hatten Umfrage-Daten des Instituts IHS Markit unter Einkaufsmanagern allerdings nahegelegt, dass die Wirtschaft und hier vor allem die Industrie 2022 unerwartet gut aus dem Startloch gekommen ist. Mit dem erwarteten Abebben der Inzidenzen dürfte sich die Wirtschaft ab Frühjahr dann spürbar erholen. Für das Gesamtjahr 2022 rechnet die Bundesregierung mit 3,6 Prozent Wachstum, wie aus dem Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts hervorgeht, über den Reuters vorige Woche berichtet hatte.
Entspannung bei Lieferketten, nicht bei Preisen
Die Lieferengpässe in der deutschen Industrie haben sich zu Jahresbeginn merklich entspannt. Rund 67 Prozent der Unternehmen berichteten im Januar zwar noch von Problemen sich Rohstoffe und Vorprodukte zu beschaffen, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters zu der monatlichen Umfrage des Münchner Instituts. Im Dezember waren es aber noch 82 Prozent. Auch im Einzelhandel sehe es mittlerweile wieder besser aus: Hier klagten noch 63 Prozent über Lieferengpässe, nachdem es Ende 2021 ebenfalls rund 82 Prozent waren.
"Es gibt aber noch keine Entspannung an der Preisfront", sagte Wohlrabe. So wolle mindestens jeder zweite Industriebetrieb seine Preise weiter anheben. Im Einzel- und Großhandel sehe es ganz ähnlich aus. Die Inflationsrate hatte im Dezember mit 5,3 Prozent den höchsten Stand seit fast 30 Jahren erreicht.
hb/iw (rtr)