DFB-Team: Spagat zum Jubiläum gegen die Ukraine
9. Juni 2023Es ist das 1000. Länderspiel in der Geschichte des Deutschen Fußballbundes. Man hätte sich strahlkräftigere Gegner vorstellen können für dieses Jubiläum: die ewigen Rivalen aus Italien, Frankreich oder England, den aktuellen Weltmeister Argentinien oder Rekord-Titelträger Brasilien. Oder die Schweiz, gegen die im Jahr 1908 mit der ersten Partie in Basel die lange Reise begonnen hat. Aber der DFB hat sich anders entschieden - es geht gegen den 30. der FIFA-Weltrangliste, der noch nie ein großes Turnier gewonnen hat, ein Team ohne Weltstars oder große Tradition: die Ukraine.
Anpfiff ist am Montag um 18 Uhr in Bremen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat das am Freitag vor der versammelten Presse in Frankfurt so begründet: "Das Spiel ist ein wichtiges Zeichen für Solidarität und die Unterstützung der Bevölkerung in diesem Land, ein echtes Statement".
Keine echten Heimspiele seit Kriegsbeginn
Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs durch Russland im Februar 2022 hat die Ukraine kein echtes Heimspiel mehr bestreiten können. Bislang ist man nach Polen ausgewichen, das nächste Länderspiel in der Qualifikation für die EM 2024 wird gegen Malta Mitte Juni in der Slowakei ausgetragen. Bezeichnenderweise ist die Nationalmannschaft nicht von Kiew, sondern von Warschau aus nach Bremen geflogen.
Und während das deutsche Team gleich nach dem Abpfiff Bremen wieder verlässt, werden die Gäste aus der Ukraine eine Woche lang bleiben, um sich auf die anstehenden Spiele in der EM-Qualifikation gegen Nordmazedonien und Malta vorzubereiten. Ihre Gedanken werden aber auch dann in der Heimat, bei den Angehörigen und den Kämpfern sein: "Ich danke unseren Streitkräften, dass sie unsere Unabhängigkeit verteidigen und uns ermöglichen, eine Meisterschaft auszutragen und über Fußball zu sprechen", hatte der neue Nationaltrainer Sergej Rebrow schon bei seiner Antrittsrede vor einigen Tagen gesagt.
In Gedanken bei den Kämpfern
Im russisch besetzten und umkämpften Ost- und Südostteil der Ukraine finden seit Kriegsbeginn auch keine Ligaspiele mehr statt. 13 der 16 Erstligisten haben mindestens einmal außerhalb ihrer eigentlichen Region ihre "Heimspiele" absolvieren müssen. Serienmeister Schachtar Donezk hat sogar bereits seit 2014, als prorussische Separatisten die Macht in der Stadt übernommen haben, keine echte Heimat mehr. Die Spieler wohnen und trainieren in Kiew, die Meisterschafts-Heimspiele finden in Kiew, Lwiw, Charkiw, Uschhorod, Minai und Riwne statt, im Europapokal geht es nach Warschau. Improvisation ist zur Normalität geworden, leere Ränge ebenfalls. Viele Profis sind deshalb ins Ausland gegangen, wie andere Menschen auch.
Der DFB versucht, bei der Integration dieser Flüchtlinge zu helfen. Mit seiner Egidius-Braun-Stiftung unterstützt er Fußballvereine mit je 500 Euro, damit sie zum Beispiel Mitgliedsbeiträge, Spielerpässe, Sportkleidung oder Sprachkurse für Kinder, Jugendliche und Frauen aus der Ukraine finanzieren können. Dazu hat der Verband 1000 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtete Kinder und Jugendliche mit ihren Begleitpersonen zum Spiel in Bremen eingeladen.
Hoher Besuch und vielleicht zwei Überraschungsgäste
Die symbolhafte Bedeutung der Partie mag auch die Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterstreichen. Ebenfalls angekündigt hat sich der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew und gerüchteweise sollen auch die Klitschko-Brüder Vitali und Wladimir kurzfristig anreisen.
Für die beiden Trainer Hansi Flick und Rebrow wird es ein Spagat sein zwischen sportlicher Herausforderung, Testlauf und Solidaritätsbekundungen. "Es wird kein Freundschaftsspiel werden", hat DFB-Sportdirektor Rudi Völler an diesem Freitag angekündigt, beide Seiten würden alles geben am Montag. Sein Verbandspräsident Bernd Neuendorf hatte da kurz zuvor ganz anders geklungen: "Wir spielen diesmal mehr mit als gegen die Ukraine".