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Religionen: Bilderverbote gegen Götzendienst und Blasphemie

Stefan Dege4. Mai 2015

Warum stehen Bilder im Fokus von Terroristen? Eine kleine Geschichte des Bilderverbots in den Religionen.

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Der Prophet Mohammed und die Kaaba
Bild: public domain

Islamisten verachten Malerei, Fotos und Filme - Propagandazwecke ausgenommen. Auf den Koran oder auf Mohammed als Religionsstifter des Islam können sie sich dabei nicht berufen. Wer den Koran - für den Gläubigen Gottes Wort - aufschlägt, findet keine eindeutigen Belege für ein Bilderverbot. Gott habe Menschen und andere lebendige Wesen geschaffen, heißt es da. Der Mensch sei dazu nicht in der Lage. Und wenn er sie abbilde, könne er ihnen kein Leben einhauchen.

Der Tübinger Orientalist Rudi Paret – von ihm stammt die bis heute unter Islamwissenschaftlern maßgebliche Koranübersetzung - erkannte ein "Bilderverbot" denn auch erst in der späteren Hadith-Literatur. Hadithe versammeln überlieferte Aussprüche und Traditionen des Propheten. Darin tauchen bildkritische, gelegentlich sogar bildfeindliche Passagen auf. Es gibt schätzungsweise 100.000 Hadithen.

Auch im Fiqh, der islamischen Rechtswissenschaft, wurde über Bilderverbote debattiert. So überliefert etwa der Hadith-Autor al Buchari diesen Sinnspruch Mohammeds: "Ich habe den Gesandten Gottes sagen hören: Die Engel betreten kein Haus oder Zimmer, in denen sich ein Hund oder eine bildliche Darstellung befindet." Fürchtete der Prophet, der Mensch wolle durch die Darstellung lebender Wesen "Gott nachahmen"? Der Hund ist im Islam unrein. Bilder, die mit den Götzenstatuen gleichgesetzt werden, sind es ebenso. Wo Bilder sind, kann demnach nicht gebetet werden.

Koran. Foto:Dan Kitwood/Getty Images
Der KoranBild: Getty Images/D. Kitwood

Kein Bilderverbot im Islam

Ein eindeutiges Bilderverbot lässt sich aber auch aus den Hadithen nicht herauslesen, die zwei- bis dreihundert Jahre nach dem Tod Mohammeds verschriftlicht wurden. Ohnehin sind die Texte historisch zu begreifen. Wie der Koran sprechen sie keine einheitliche Sprache. Spätere Suren heben frühere auf, ergänzen oder korrigieren sie. Über Echtheit und theologische Bedeutung streiten islamische Gelehrte bis heute.

"Du sollst dir kein Bildnis machen". Hinter diesem Gebot stand vor allem die Sorge vor dem Götzendienst. Statt Gott dürfe kein Bild angebetet, mit Bildern dürfe Gott nicht nachgeahmt werden. Wohl aus diesem Grund ließ Mohammed nach seinem siegreichen Einzug in Mekka im Jahr 630 nach Christus die heilige Kaaba von Götzenbildern reinigen. Dadurch stieg die Kaaba - bereits in vorislamischer Zeit heilige Stätte – zum Zentralheiligtum des Islam auf. Fremde Götter hatten darin ab sofort keinen Platz mehr. "Der Götzenkult der vorislamischen Araber sollte bekämpft werden", schreibt die Schweizer Orientalistin Silvia Naef, "und durch den monotheistischen Glauben ersetzt werden."

Haddsch Pilgerfahrt. Foto: Fayez Nureldine, AFP
Der Prophet Mohammed ließ die Kaaba von Götzenbildern reinigen.Bild: AFP/Getty Images

Belegt der Bildersturm von Mekka die Angst vor der Macht der Bilder? Im Sunnitentum setzte sich das Bilderverbot zwar weitgehend durch. Doch hielt man sich nicht immer daran: Warum sonst entstand eine islamische Malerei? Buch- und Miniaturmalereien zeigen den Propheten Mohammed und seine Mutter Amina - mal mit, mal ohne Gesichtsschleier. Ibrahim (Abraham) wurde bildlich dargestellt ebenso wie andere Gestalten der Koran-Überlieferung. Die persische Buchmalerei, die religiöse wie weltliche Motive darstellte, gelangte zu hoher Blüte. Gleiches gilt für die Miniatur- und Buchmalerei der indischen Moguln. Das Aufkommen der Fotografie im 19. und des Fernsehens im 20. Jahrhundert befeuerte die islamische Debatte über die Darstellung lebendiger Wesen.

Doch auch im Christentum war die Darstellung von Lebewesen nicht unumstritten. "Das Alte Testament verbietet es ausdrücklich, Bilder von Gott zu malen", erinnert die Orientalistin Naef. So erklärt sich der byzantinische Bilderstreit im achten und neunten Jahrhundert, der Bilderstürmer und Bilderverehrer in Stellung brachte. Zankapfel waren Jesus als Weltenherrscher und die Gottesmutter Maria. Durfte man sie bildlich darstellen? Ja, man durfte, die orthodoxe Ostkirche entschied sich für das Bild. Es entstand eine reiche Tradition der Ikonenmalerei.

Ikone Onufri Berat Albanien
Der Bilderstreit von Byzanz ließ das Bilderverbot in der Ostkirche fallen.Bild: picture alliance/Godong/Robert

Aber auch weiter westlich fürchteten die Kirchen, Bilder könnten der Götzenverehrung dienen. Um das Jahr 600 herum sprach sich Papst Gregor der Große gegen Bilderfeindlichkeit und eine zu starke Bilderverehrung aus. Zugleich erkannte er den erzieherischen Nutzen von Bildern. Ähnlich argumentierte 794 das Frankfurter Konzil. So akzeptierte die katholische Kirche erst im 12./13. Jahrhundert die Bilder vorbehaltlos. Doch im 16. Jahrhundert führte die Kirchenreform erneut zum Bildersturm: Die Reformatoren Calvin und Zwingli verbannten die Bilder aus den Gotteshäusern. Martin Luther warnte vor Bildern, die "Blasphemie fördern und Glaubensverlust bewirken" könnten.

Angst vor dem Zorn Gottes

Es war dieses seltsamste Gebot der Religionsgeschichte, das einst den frühen Monotheismus absicherte. Alle drei abrahamitischen Religionen - Juden, Christen und Muslime - fürchteten bei Nichtbeachtung den Zorn Gottes. Gleichzeitig geschah vieles, um es auszuhöhlen. Heute versuchen Extremisten, es im Namen Allahs wieder aufzurichten. Sie hetzen gegen Mohammed-Zeichnungen. "Die Tötung von Menschen wegen Bildern, wie jetzt in Paris geschehen", sagt der Kunsthistoriker Horst Bredenkamp in einem Interview der Süddeutschen Zeitung, "ist die politische Strategie einiger islamistischer Gruppierungen, die zwischen Bild und Gott nicht unterscheiden wollen!"