Die neue deutsche Linke nimmt Gestalt an
10. Juni 2005Oskar Lafontaine ist wild entschlossen, in die aktive Politik zurückzukehren. Der frühere SPD-Chef und Bundesfinanzminister, der erst vor wenigen Tagen aus der Partei austrat, ist bereit, für das neue Linksbündnis aus PDS und der "Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit" (WASG) zur Bundestagswahl zu kandidieren.
Erst in der Nacht zum Freitag (10.6.2005) hatten sich beide Seiten darauf verständigt, gemeinsam zur Wahl anzutreten. Die PDS will dazu ihre Listen für Mitglieder der vornehmlich aus dem Westen kommenden Wahlalternative öffnen. Formal müssen Parteigremien der Einigung noch zustimmen, Lafontaine aber erklärte bereits im Fernsehsender N24: "Es sieht so aus, als ob das Linksbündnis zustande kommt. Und ich habe ja erklärt: Wenn es zustande kommt, dann trete ich an."
Berührungsängste überwunden
Gesucht wird noch ein Name für das Bündnis, dessen Zustandekommen alles andere als selbstverständlich war. Die PDS ist im Osten des Landes fest verankert, viele Anhänger fürchten einen Profilverlust beim Bündnis mit der erst jungen Wahlalternative. Die war von enttäuschten Sozialdemokraten und Gewerkschaftern gegründet worden, nachdem SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder harte Einschnitte im Sozialsystem durchsetzte.
Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Ende Mai 2005 kam die WASG immerhin auf 2,2 Prozent - ohne prominentes Spitzenpersonal. In der Wahlalternative selbst gab es starke Vorbehalte gegen die PDS und deren Vorgeschichte in der DDR.
Chance auf Bundestagssitze
Aber Meinungsforscher machen einem Bündnis beider Gruppen Hoffnung auf bis zu acht Prozent der Stimmen - zumal für die PDS deren früheres Zugpferd Gregor Gysi nach längerer Pause antritt.
Die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau betonte nach der nächtlichen Einigung im ARD-Fernsehen, die beiden Parteien würden auf jeden Fall nicht als Gegner in die Wahl gehen: "Es wäre ja fatal, wenn auf der Linken zwei Parteien gegeneinander antreten, anstatt sich darum zu kümmern, ob es Mehrheiten für eine andere Politik gibt."
Letzte Zustimmung nur Formalie
Der PDS-Parteivorstand und eine Versammlung aller Landesverbände der WASG müssen den Links-Zusammenschluss noch absegnen, aber Lafontaine zweifelt nicht, dass das gelingt: "Ich glaube, dass diejenigen, die Politik machen wollen, erkennen werden, dass hier eine große Chance ist, in einer einmaligen Situation in der Bundesrepublik, eine neue Politik zu formulieren und insbesondere Arbeitnehmer- und Rentnerinteressen zu vertreten."
Lange hatte die PDS vergeblich versucht, im Westen Fuß zu fassen. Stattdessen hatte sie ihre Hochburgen mit teilweise zweistelligen Ergebnissen bei Landtags - und Bundestagswahlen im Osten. Zurzeit ist die Partei mit zwei Direktmandaten im Bundestag vertreten. PDS und WASG wollen nach den Wahlen innerhalb von zwei Jahren eine feste politische Struktur aufbauen. Gelingt das, ist es nicht auszuschließen, dass sich die Parteienlandschaft am linken Rand langfristig ändert.