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Das Leben schätzen lernen

Oliver Cech 10. Dezember 2007

Anders als in der westlichen, säkularen Gesellschaft wird der Tod im Buddhismus nicht tabuisiert. Der Dalai Lama denkt jeden Tag an seinen Tod und lernt dadurch das Leben erst wirklich schätzen.

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Götterstatue Menschenfigur mit Drachenkopf. (Bild: Administrative Bureau of Cultural Relics, Tibet Autonomous Region, China)
Der Todesgott Yama -Buddhisten tabuisieren den Tod nichtBild: Administrative Bureau of Cultural Relics, Tibet

Fremde Töne auf einem christlichen Friedhof, irgendwo im Rheinland: Eine Buddhistin ist gestorben, nach langer Krankheit. Von einer Freundin hat sie sich gewünscht, sie solle beim Begräbnis ein Stück auf der Shakuhachi spielen – einer Bambusflöte, die japanische Zen-Mönche als Instrument zur Atemmeditation verwenden. Eine von vielen Möglichkeiten, das buddhistische Totenritual zu gestalten. Ein fester Formenkanon hat sich dafür im Westen noch nicht entwickelt, schon deshalb, weil hier landeskulturell verschiedene asiatische Traditionen aufeinander treffen.


Der Seele etwas mitgeben

Der 14. Dalai Lama weiht eine Büste ein, die ihn darstellt. (AP Photo/Martin Meissner20. September 2007 in der Universitaet in Muenster)
Der 14. Dalai Lama sagt, er denke jeden Tag an den Tod und lerne dadurch das Leben mehr schätzenBild: AP

Tatsächlich ähnelten die meisten buddhistischen Begräbnisse im Westen äußerlich stark den christlichen sagt Paul Köppler vom Haus Siddharta in Bonn. Nur die Inhalte unterschieden sich: "Da sind zwei wichtige Dinge, wenn ich ein Ritual mache: Einerseits wirklich dieser Person klarzumachen, dass jetzt der Körper vergangen ist, dass etwas Neues beginnt. Also: Abschied zu nehmen." Auf der anderen Seite sei es sehr wichtig für Buddhisten dieser Seele etwas mitzugeben, was ihr hilft. "Man nennt das: Verdienste geben. Sozusagen eine Wegbegleitung zu geben", erläutert Köppler.

Seit vielen Jahren leitet Paul Köppler buddhistische Begräbnisfeiern. Ob man den Toten beerdigt oder verbrennt, sei aus buddhistischer Sicht unwichtig, meint er. Überhaupt treten die Rituale bei der Beerdigung für die Buddhisten an Bedeutung weit zurück gegenüber der Begleitung des eigentlichen Sterbevorgangs, den sie weitaus differenzierter auffassen als die westliche Schulmedizin.


Das "Geistige" bleibt noch eine Weile

Buddhisten gingen davon aus, dass noch sich das Geistige noch eine Zeit lang in der Nähe des Körpers befinde, oder mit dem Körper verbunden sei. Als Bestätigung dafür sieht Köppler Berichte von Nahtod-Erfahrungen, die von ähnlichen Zuständen berichten: "Dass da noch eine Verbindung ist, und dass alles, was rund um den scheinbar Toten geschieht, noch wahrgenommen wird. Und deswegen ist es ganz wichtig, da mit sehr viel Respekt, mit Ruhe und Dankbarkeit und Liebe heranzugehen, und nicht den Körper einfach wegzuschaffen und zu versorgen."


Acht Stunden nach dem Atemstillstand, so die buddhistische Auffassung, soll der Tote mindestens ruhen, damit alle geistigen Prozesse sich vom grobstofflichen Körper lösen könnten. Diese Prozesse führten die Bewusstheit des Gestorbenen ins sogenannte Bardo, einen Zwischenzustand, in dem man traumähnliche Erfahrungen durchläuft, wie sie etwa im tibetischen Totenbuch beschrieben seien. Das Geistige eines Menschen suche sich in dieser Phase seine nächste Existenz – und brauche dabei alle Unterstützung der Hinterbliebenen.

Den Toten wirklich gehen lassen

Kalachakra-Mandala. Tibet, 18. Jh., Thangka, Gouache auf Baumwolle. (Foto: © Administrative Bureau of Cultural Relics, Tibet Autonomous Region, China)
Tibetisches Mandala - Buddhisten meditieren über dem TotenBild: Administrative Bureau of Cultural Relics, Tibet

Dabei sei es wichtig, dass sich Angehörige nicht an den Gestorbenen klammerten, weder durch anhaftende Liebe noch durch im Leben ungelöste Konflikte. Indem die Lebenden Abschied nähmen vom Toten, ihn wirklich gehen lassen, erleichterten sie seine Aufgabe im Zwischenzustand. Dazu diene auch das "Ritual der vier Elemente", das Köppler oft am Ende des Begräbnisses durchführt: Wasser, Feuer, Erde und Luft geben die Trauernden dem Toten symbolisch mit ins Grab, um klarzumachen, dass dieser Körper nur aus den vier Elementen besteht. Wenn das Geistige sich daraus zurückziehe, zerfiele der Körper.


Abschied zu nehmen, sei wirklich zum Heil, nicht nur für die Verstorbenen, sondern für die Menschen rundherum. "Für die ist es ja oft viel wichtiger, die Sache zu bewältigen", sagt Köppler. "Was der Verstorbene damit macht, wissen wir ja nicht. Aber die Lebenden, das sehen wir schon."