1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

DVD-Tipp: Osteuropäer im Westen

Jochen Kürten
10. November 2011

Als die Freiheitsbewegungen in Osteuropa in den 1960er Jahren erstickt wurden, verließen auch Filmemacher ihre Heimat. Einige produzierten im Westen dann erstaunliche Werke. Zwei Wiederentdeckungen auf dem DVD-Markt.

https://p.dw.com/p/RrhW
Szene aus Taking off von Milos Forman (Foto: KOCH MEDIA)
Milos Formans "Taking off"Bild: KOCH MEDIA

In der 1960er Jahren verloren viele osteuropäische Länder ihre besten Filmemacher. Freiwillig oder gezwungenermaßen sahen die Regisseure aus der CSSR, Polen oder Ungarn ihre Arbeitsmöglichkeiten mehr und mehr durch politische Repressalien eingeschränkt. Ein Arbeiten ohne Zensur war kaum noch möglich. Wer also weiter Regie führen, sich aber weder anpassen, noch eine Nische wie den Kinder- und Jugendfilm besetzen wollte, der musste damals in den Westen gehen.

Szene aus Deep Ende mit John Moulder-Brown und Jane Asher. (Foto:KOCH MEDIA)
"Deep End" von SkolimowskiBild: KOCH MEDIA

Dort machten Regisseure wie Jerzy Skolimowski aus Polen oder Milos Forman (CSSR) ganz unterschiedliche Erfahrungen. Der Tscheche startete in Hollywood eine Weltkarriere, gewann Oscars und nahm 1975 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Skolimowski hatte weniger Glück. Wie viele andere Filmemacher Osteuropas musste auch er lange Durststrecken zwischen seinen Regiearbeiten durchleben. Das kommerziell orientierte Filmsystem in Westeuropa und vor allem Hollywoods verlangte andere Anstrengungen als das Arbeiten in der alten Heimat.

"Taking Off" (Milos Forman/1971)

Die Grundgeschichte ist denkbar einfach: ein amerikanisches Mittelstandspärchen ist auf der Suche nach der halbwüchsigen Tochter, die von zu Hause weggelaufen ist. Forman nutzt diese Ausreißer-Story, um ein grelles Licht auf die moderne amerikanische Gesellschaft zu werfen. Der Tscheche hatte schon in seinen frühen, noch in der Heimat gedrehten Filmen, ein Faible für gesellschaftliche Skurrilitäten. Es ist vor allem die Spießigkeit der amerikanischen Mittelstandseltern, die Milos Forman hier aufs Korn nimmt.

Szene aus Taking off von Milos Forman mit Linnea Heacock und David Gittler (Foto: KOCH MEDIA)
Die Ausreißerin und ihr neuer Freund - in "Taking off"Bild: KOCH MEDIA

"Als wir Taking Off abschlossen, war ich überzeugt, dass wir einen sehr guten Film hatten. Ich rechnete sogar mit einem Erfolg in Amerika, der es mir endlich ermöglichen würde, für immer nach Prag und zu meiner Familie zurückzukehren. Die politische Situation in der Tschechoslowakei hatte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings zu einer Tragödie entwickelt", schrieb Forman später in seiner Autobiografie. Der tschechische Regisseur sollte so schnell nicht in seine Heimat zurückkehren, aus politischen Gründen, und nicht, weil "Taking off" leider nicht den erwarteten kommerziellen Erfolg an den Kinokassen hatte. Vier Jahre später explodiert Milos Formans Karriere aber geradezu mit dem Film "Einer flog übers Kuckucksnest".

"Deep End (Jerzy Skolimowski/ 1971)

Im gleichen Jahr drehte der Pole Skolimowski in Europa "Deep End". Die Handlung dieser polnisch-britisch-deutschen Co-Produktion spielt über weite Strecken in einer öffentlichen Badeanstalt in England. Der junge Grünschnabel Mike tritt seinen ersten Job als Bademeister an. Er verliebt sich in seine sieben Jahre ältere Kollegin Susan. Diese flirtet zwar mit Mike, schläft aber lieber mit anderen Männern. Doch dann kommt es doch zu einer sexuellen Begegnung zwischen beiden - die in einer Katastrophe endet.

Szene aus Deep Ende mit John Moulder-Brown und Jane Asher (Foto: KOCH MEDIA)
Die schöne Susan verdreht dem naiven Mike die Augen - in "Deep End"Bild: KOCH MEDIA

Skolimowski ist mit "Deep End" - aus heutiger Sicht - ein Meisterwerk von zeitloser Schönheit gelungen. Der Film besticht durch Atmosphäre und Stimmung. Er fängt das Gefühl der Zeit im Swinging London ein. Die sensibel gezeichnete Pubertät des jungen Mike wird von Regisseur Skolimowski zu einer überzeugenden und rasant inszenierten Coming of Age-Geschichte verdichtet. "Deep End" hat auch viele Jahre nach seiner Entstehung nichts von seiner Schönheit verloren. Eine lohnende Wiederentdeckung auf DVD.

Beide Filme sind beim DVD-Anbieter Koch Media erschienen.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Marlis Schaum