EHEC: Epidemie beendet, Erreger nicht besiegt
27. Juli 2011Seit drei Wochen, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit, sei kein neuer Erkrankungsfall mehr bekannt geworden. "Damit ist der größte EHEC-Ausbruch in Deutschland beendet", sagte Reinhard Burger, Präsident des RKI.
Seit Ausbruch der Epidemie Anfang Mai starben deutschlandweit 50 Menschen an den Folgen des aggressiven Darmkeims. Mehr als 4300 Erkrankungsfälle wurden registriert. Rund 850 der Patienten litten an der schlimmsten Folge von EHEC: am gefährlichen Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS), das zu neurologischen Störungen und schweren Nierenproblemen führt. Außerhalb Deutschlands seien 125 EHEC und HUS-Erkrankungen und ein Todesfall bekanntgeworden, so das RKI.
Schwäche, Müdigkeit, Blutarmut
Viele Krankenhäuser arbeiteten während der Epidemie auf Hochtouren. Ein Beispiel: die Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Dort wurden 50 Erwachsene und 15 Kinder behandelt. Sie alle litten unter der schweren Komplikation HUS. Zwei Patienten liegen noch immer in der Uniklinik, davon eine Frau auf der Intensivstation.
Die Folgen ihrer EHEC-Erkrankung sind für die meisten Patienten der Medizinischen Hochschule offenbar nicht so dramatisch, wie zunächst befürchtet. "Die Patienten, die zu uns zur Nachsorge kommen, haben überwiegend keine Beschwerden mehr", erklärt Nierenarzt Jan Menne, Leiter des EHEC-Studienzentrums an der MHH.
Zur Dialyse muss kaum einer mehr, bei etwa 10 bis 20 Prozent aller HUS-Patienten bleibt ein leichter bis mittlerer Nierenschaden. Typische Beschwerden sind dann Schwäche, Müdigkeit oder Blutarmut.
Kliniken an der Leistungsgrenze
Die Arbeitsbelastung während der Epidemie, so Krankenhausvertreter, war zum Teil extrem. Die Mitarbeiter der Kliniken seien bis an ihre Leistungsgrenzen gegangen. An der Medizinischen Hochschule Hannover wurde nach Angaben von Oberarzt Jan T. Kielstein mehrere Wochen ohne Unterbrechung Tag und Nacht auf der Dialysestation gearbeitet.
Auch die Ärzte und Schwestern auf den Intensivstationen mussten eine große Zahl von Patienten mit schweren Verlaufsformen betreuen. Die Kranken wurden teilweise über Wochen im künstlichen Koma beatmet. Die Universitätskliniken fordern deswegen eine Regelung zur Kostenübernahme bei Extremfällen wie der EHEC-Epidemie.
Bauern fordern höhere Entschädigung
Besonders hoch waren die Kosten der Epidemie für die Landwirtschaft. Die Europäische Union hat ihren Bauern deshalb Entschädigungen in Höhe von 210 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Diese Summe, so der europäische Bauern- und Genossenschaftsverband, reiche aber nicht aus. Die Bauern fordern ein zweites Hilfspaket.
Die Bundesregierung hat für die deutschen Bauern Entschädigungsforderungen in Höhe von 16 Millionen Euro angemeldet. Nach Angaben des deutschen Bauernverbandes deckt diese Summe nur "einen Bruchteil" der Kosten ab.
Wichtige Produkte seien außerdem von Entschädigungen ausgeschlossen, zum Beispiel Rucola und Chinakohl. Bauern konnten Ansprüche nur für bestimmte Salat- und Gemüsesorten anmelden: Gurken, Tomaten, Kopf- und Blattsalat, Endivie, Paprika und Zucchini.
Gemüsebauern in ganz Europa machten durch EHEC enorme Verluste. Wegen einer möglichen Verunreinigung mit dem aggressiven Darmkeim hatten die deutschen Behörden über mehrere Wochen vor dem Verzehr von Rohkost und speziell von Salat, ungekochten Tomaten und frischen Gurken gewarnt. Die Verkäufe waren massiv eingebrochen.
EHEC könnte wieder kommen
Die EHEC-Epidemie ist vorbei. Der Erreger aber ist nicht besiegt. Eine Rückkehr nicht ausgeschlossen. Allein wegen der gesteigerten Aufmerksamkeit von Ärzten und Behörden für EHEC, so das Robert-Koch-Institut, werde es künftig mehr Meldungen über Infektionen geben. Die Infektion könne zum Beispiel durch Ausscheidungen von Menschen übertragen werden, auch wenn diese keine Symptome mehr hätten.
Darüber hinaus könne die Übertragung direkt von Mensch zu Mensch oder durch Lebensmittel erfolgen, die kontaminiert wurden. Deshalb sollten auch nach dem Ende des Ausbruchs "etwaige Erkrankungen intensiv nachverfolgt und zeitnah dem RKI übermittelt werden", sagte RKI-Präsident Burger. Das Lagezentrum, das für das Management des EHEC-Ausbruchs eingerichtet worden war, soll allerdings geschlossen werden.
Autor: Nils Naumann (dpa, dapd, reuters)
Redaktion: Michael Borgers