Ein Garten wie gemalt
Das Gartenreich Dessau-Wörlitz in Sachsen-Anhalt ist ein frühes und vollkommenes Beispiel eines Englischen Landschaftsgartens in Deutschland, geschaffen von einem Fürsten und Gartenpionier.
Der Fürst und sein Garten
Auf einer Fläche von 142 Quadratkilometern schuf Fürst Leopold Franz von Anhalt-Dessau im 18. Jahrhundert über einen Zeitraum von 40 Jahren eine Parklandschaft, wie sie Deutschland bis dahin noch nicht gesehen hatte. Entlang entlang der Elbe verknüpfte er kunstvoll die Elemente Natur, Architektur und Bildende Kunst. Entstanden ist ein Gesamtkunstwerk, das bis heute verzaubert.
Natur und Freiheit
Auf Bildungsreisen hatte Fürst Franz Englische Gärten kennen gelernt: Weitläufig und naturnah gestaltet. So sollte auch sein Garten werden, denn dieses Verständnis von Natur und Mensch passte in sein Weltbild. Der Fürst war Anhänger der französischen Aufklärung. Die Wertschätzung des Individuums setzte er in seinem Park beispielhaft um. Es wurde ein Park ohne Zäune, offen für alle Untertanen.
Grünes Toleranzprinzip
Wie ernst es Fürst Franz mit den Werten der französischen Aufklärung nahm, wird an vielen Stellen im Park deutlich, besonders aber hier: Diese Sichtachse vereint die Kirche rechts und die jüdische Synagoge links und setzt ein Zeichen für religiöse Toleranz. Seit 2002 ist das Gartenreich UNESCO Welterbe, u.a. wegen der sichtbaren Umsetzung humanistischer Prinzipien bei der Gartengestaltung.
Vom Wasser aus
Fürst Franz schuf seinen Park in einer Landschaft, die von der Elbe geformt worden war. Er nutzte tote Flussarme, Seen und Verbindungskanäle als gestalterisches Element. Damals wie heute ist eine Gondelfahrt die romantischste Art, den Park zu erleben. Eine Rundfahrt dauert ungefähr 45 Minuten und gewährt exklusive Perspektiven auf die Parklandschaft.
Brücken als Kunstwerke
19 Brücken überspannen die Wasserarme im Gartenreich Wörlitz. Alle sind unterschiedlich gestaltet und geben einen Einblick in die Geschichte und Technik der Brückenbaukunst. Es gibt z.B. eine gusseiserne Brücke, eine Kettenbrücke nach ostasiatischem Vorbild oder diese "Weisse Brücke". Sie ist der Nachbau einer Brücke in den englischen Kew Gardens bei London.
Das Herz der Gartenanlage
Als erstes Gebäude im Park entstand das Wörlitzer Schloss: ein Entwurf des Freundes und Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff. Zu einer Zeit, als die Bau- und Gartenkunst in Europa noch barock geprägt war, wurde das Schloss im Stil eines englischen Landhauses als geradezu schockierend schlicht empfunden. Heute gilt das Wörlitzer Schloss als der Auftakt des deutschen Klassizismus.
Bella Italia in Wörlitz
Die Insel Stein mit dem Miniatur-Vesuv und der Villa Hamilton ist Ausdruck der Italienbegeisterung, die Fürst Franz erfasst hatte. Vorbild für die Insel mit ihren Grotten und Bogengängen war die Hadriansvilla in Tivoli bei Rom. Die Villa Hamilton hingegen ist dem britischen Botschafter und Vesuvforscher Sir Hamilton gewidmet und seinem Sommerhaus am Golf von Neapel nachempfunden.
Bildung durch Anschauung
Die Villa Hamilton beherbergt Reiseimpressionen des Fürsten aus Italien, pompejanischen Wandmalereien, Gemälde, antike Vasen und Büsten. Auch hier wird der pädagogische Leitgedanke des Parkgründers deutlich: Bildung durch Anschauung. Sein Interesse an antiker Kunst, seine Reiseeindrücke von Italien wollte er gerne teilen und anderen die Möglichkeit geben in diese Welt einzutauchen.
Noch heute eine Attraktion
Besucher des Parks können sogar den Vulkanausbruch des Vesuvs anschaulich erleben. Ein wohl geplantes und inszeniertes Spektakel, das auch heute noch den Vorgaben aus dem 18. Jahrhundert folgt. Es beginnt in der Regel an einem Sommerabend mit einer Gondelfahrt und findet seinen Höhepunkt bei Einbruch der Nacht mit einem Feuerwerk.
Die zwei Luisen
Das Gotische Haus war das private Refugium des Fürsten, das er selbst mitgestaltete. Hier lebte er nicht etwa mit seiner Frau Henriette Wilhelmine Luise, sondern mit der Tochter seines Gärtners, Luise Schoch und den drei gemeinsamen Kindern. Sie war ihm zur linken Hand angetraut und damit als "Zweitfrau" gesellschaftlich legitimiert. An den Fürstenhöfen eine durchaus übliche Ménage-à-trois.
Fürstliche Landlust
Von der Wasserseite aus zeigt sich das Gotische Haus mit einer Fassade im venezianischen Stil. England und Italien, die zwei Lieben des Fürsten, in einem Haus vereint. Genutzt wurde das Gebäude auch als landwirtschaftliches Mustergut, war umgeben von Äckern und Obstwiesen. Der Fürst züchtete Seidenraupen und widmete sich seinen pomologischen Studien.
Grenzenlose Natur
Die Einbindung von Ackerbau und Viehzucht in die Parklandschaft - auch das folgt dem englischem Vorbild. Der Park verschmolz von Anfang an mit der ihn umgebenden Natur. Zäune gab es ohnehin nie. Der Wunsch des Fürsten, das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden, wurde perfekt umgesetzt und fand danach viele Nachahmer in Deutschland und Kontinentaleuropa.
Ein Garten für alle
Der Park des Fürsten war ein kostspieliges Hobby, aber am Ende wegweisend für die Entwicklung der Gartenbaukunst in Deutschland. Die Unterhaltungskosten sind auch heute immens. Trotzdem ist der Eintritt für das Gartenreich nach wie vor kostenfrei, der Park das ganze Jahr über zugänglich. Ganz im Sinne seines Erfinders ist er mehr als 200 Jahre nach seiner Gründung ein Garten für alle geblieben.