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Fahrplan zum Grexit?

Bernd Riegert6. Juli 2015

Beim Sondergipfel am Dienstag muss die Euro-Zone entscheiden, ob Griechenland nach dem Referendum Mitglied bleiben kann. Ein Kollaps der Banken droht. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Europa Flagge Montage
Bild: picture-alliance/ZB/Montage DW

Nach dem Sieg beim Referendum und der klaren Ablehnung der bisherigen Angebote will der griechische Premierminister Alexis Tsipras so schnell wie möglich mit den Geldgebern verhandeln. Das kündigte Tsipras in einer Fernsehansprache in Athen an, die auch in Brüssels sehr genau verfolgt wurde. Das Nein zu Auflagen sei kein Nein zu Europa, hob Tsipras hervor. In Brüssel sieht man das anders. Der Chef der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hatte schon vor der Abstimmung gesagt, das Referendum in Griechenland sei eine Entscheidung über den Verbleib des Landes in der Euro-Währungsgemeinschaft. Juncker will am Montag mit den Vertretern der Geldgeber beraten.

Der slowakische Finanzminister, Peter Kazimir, sagte am Abend, der Alptraum der Gründerväter, ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, sei nun ein realistisches Szenario. "Das Nein heißt nicht, dass die Griechen jetzt leichter an Geld kommen", so Kazimir. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande haben am späten Sonntagabend bereits miteinander telefoniert. Sie sprachen sich für einen Euro-Sondergipfel am kommenden Dienstag in Brüssel aus. Der EU-Ratspräsident Donald Tusk folgte dem Wunsch und lud die 19 Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone zu einem Abendessen und wahrscheinlich auch zu einer langen, hitzigen Nacht ein.

Griechenland Schuldenkrise PK Juncker
Juncker: Ein Nein zu Europa?Bild: Reuters/Y. Herman

Kein konkreter Antrag aus Athen

Zuvor sollen sich die Finanzminister der Euro-Zone treffen. Was genau beraten werden soll, ist aber unklar. Noch liegt kein detailierter Antrag Griechenlands auf neue Kredite oder ein drittes Hilfsprogramm aus Athen vor. Da die griechischen Wähler die bisherigen Reform- und Haushaltsauflagen abgelehnt haben, ist eine Zustimmung für die übrigen 18 Länder eher unwahrscheinlich. Das sagte der Politologe Janis Emmanouilidis in einem Interview mit der DW. "Man wird insgesamt über etwas Neues verhandeln müssen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man verhandelt. Aber ich gehe davon aus, dass niemand nachgeben wird auf Seiten der Euro-Partner. Herr Tsipras ist jetzt gefordert. Er hat zwar gewonnen in diesem Referendum, aber er ist auch unter Druck."

Griechenland Referendum
Tsipras siegessicher: Was schlägt er vor?Bild: Reuters/C. Hartmann

Varoufakis: Sie wollen uns erniedrigen

Griechenland braucht dringend Geld. Das Land gilt beim Internationalen Währungsfonds, beim Rettungsschirm der EU und bei den privaten Märkten als bankrott. Die Banken bleiben auch am Montag geschlossen. Das Abheben von Bargeld ist beschränkt. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis warf den europäischen Verhandlungspartnern nach dem Referendum erneut vor, sie hätten von Anfang an geplant, "die Banken zu schließen, um uns zu demütigen". Varoufakis sagte, eine Einigung könnte dennoch in 24 Stunden möglich sein. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, der zurzeit den Vorsitz der EU führt, riet Varoufakis, "den Ball jetzt flach zu halten". Eine Lösung sei immer noch möglich, sagte Asselborn im Zweiten Deutschen Fernsehen. "Europa kann Berge versetzen. Wir sind jetzt politisch gefragt. Wenn wir das treiben lassen, ist das in einer Woche vorbei", warnte Asselborn. Dann wäre die Drachme wieder da. Es würde Elend mitten in Europa geben.

IWF: Griechenland braucht 50 Milliarden

Letzte Woche hatte die griechische Regierung ein Hilfsprogramm im Umfang von 29 Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre beim europäischen Rettungschirm (ESM) beantragt und darüber hinaus eine Umschuldung verlangt. Der Internationale Währungsfonds schätzt den Finanzbedarf Griechenlands wegen der wegbrechenden Steuereinnahmen und der erneut schrumpfenden Wirtschaft in den nächsten drei Jahren auf 50 Milliarden Euro. Bislang galt es nicht als vorstellbar, dass über diese großen Summen innerhalb von wenigen Tagen entschieden werden kann. Nach den Kreditrichtlinien des ESM ist eine erneute Prüfung der tatsächlichen in Lage in Griechenland notwendig. Außerdem müsste ein detaillierter Kreditvertrag mit Verpflichtungen zu Reformen und Sparmaßnahmen ausgehandelt werden, ein sogenanntes "memorandum of understanding". EU-Diplomaten schätzen, dass alleine das bei gutem Willen aller Seiten zwei oder drei Wochen dauern würde.

Janis Emmanouilidis (European Policy Centre) zum Referendum: Tsipras ist am Zug

EZB will Griechenland noch nicht fallen lassen

Diese Zeit könnte dem zahlungsunfähigen Griechenland nur die Europäische Zentralbank einräumen. Die EZB hält den griechischen Bankensektor mit Notfallkrediten über Wasser. Die griechische Notenbank hat eine Ausweitung der Kredite noch am Sonntagabend beantragt. Insider in Frankfurt am Main gehen davon aus, dass die EZB das Volumen für die Notkredite bei 89 bis 90 Milliarden Euro belassen wird. Damit könnte den Banken in den nächsten Tagen das Geld ausgehen. Das Direktoriumsmitglied der Zentralbank, Benoît Coeure, sagte am Sonntag bei einer Tagung in Aix-en-Provence, die Bank werde mehr Hilfen anbieten, wenn dies nötig sei. "Wenn wir mehr machen müssen, machen wir mehr", sagte Coeure, ohne Einzelheiten zu nennen. "Wir werden die nötigen Instrumente einsetzen." Die griechische Regierung lehnte es am Sonntagabend ab, über die Einführung einer parallelen Währung oder Schuldscheine der Regierung für den Zahlungsverkehr innerhalb von Griechenland zu spekulieren.

Der Vorsitzende der größten Fraktion im Europäischen Parlament, der Konservative Manfred Weber, nannte das Referendum ein schlechtes Signal für Europa und ein "rabenschwarzes Signal" für Griechenland. "Wir respektieren das Votum, aber die Griechen müssen sich klar sein, dass sie nicht alleine sind in der Euro-Zone", sagte Weber im ARD-Fernsehen. Diese Auffassung teilte auch der Präsident des Europäischen Parlaments , Martin Schulz (SPD). Er erklärte am Abend in Aachen, die Verhandlungsposition Griechenlands sei durch das klare "Nein" nicht besser geworden. "Was Premierminister Tsipras da verspricht, stimmt so nicht." Die 18 übrigen Euro-Staaten, die für Griechenland zahlen müssten, haben die Vorschläge aus Athen bislang stets abgelehnt.