Peking über EU verstimmt
1. April 2008Die Europäische Union, Japan und die USA wurden in Peking indirekt beschuldigt, eine Abspaltung Tibets zu fördern. Das Außenministerium ließ am Dienstag (1.4.08) erklären, es sei zu verurteilen, wenn ausländische Staaten "über die separatistischen Aktivitäten des Dalai Lama hinwegsähen oder diese unterstützten". Gleichzeitig warfen die chinesischen Behörden der Widerstandsbewegung in Tibet vor, den Einsatz von Selbstmordkommandos zu planen. Von pro-tibetischen Gruppen im Exil gesteuerte Schlüsselfiguren eines Untergrundnetzwerkes seien in Lhasa festgenommen worden.
Der deutsche Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, hatte dem Dalai Lama angeboten, vor den EU-Abgeordneten zu sprechen.
Mit Einladung nach Brüssel gerechnet
Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner sagte in einem Radiointerview, er erwarte eine baldige Einladung seiner EU-Kollegen an das geistliche Oberhaupt der Tibeter. Der britische Premierminister Gordon Brown will den Friedensnobelpreisträger im Mai treffen. In den deutsch-chinesischen Beziehungen war erst 2007 eine viermonatige diplomatische Eiszeit eingetreten, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel den Dalai Lama im Berliner Kanzleramt empfangen hatte.
"Nicht trotz Olympia, sondern wegen Olympia"
Auch die anhaltende Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen löst in China Verärgerung und Empörung aus. Die Volksrepublik sei ein Rechtsstaat und lasse sich nicht unter Druck setzen, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, bereits vor Veröffentlichung der neuesten Lageeinschätzung von Amnesty International (ai). Darin wird der sozialistische Staat angeprangert, die Repression zu verstärken, Bürgerrechtler noch schärfer zu verfolgen und mundtot zu machen sowie die freie Berichterstattung zu blockieren. Die Unterdrückung von Dissidenten erfolge "nicht trotz Olympia, sondern wegen Olympia". Amnesty und die Organisation Human Rights Watch fordern das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf, sein Schweigen zu brechen.
Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin appellierte bei einem Besuch in Peking auch an die Wirtschaft und die Sponsoren der Spiele, ihren Einfluss geltend zu machen und auf die chinesischen Funktionäre einzuwirken. (sc)