Endstation für den Autoreisezug
Straße und Schiene unter einen Hut bringen - diese clevere Idee hat sich bei der Deutschen Bahn überlebt. Ihr letzter Autozug lief am 31. Oktober 2016 im Bahnhof Hamburg-Altona ein - das Ende einer Ära.
Superbequem
Mit dem eigenen Auto ab in den Süden - aber ohne den Stress auf der Autobahn und dazu noch umweltschonend: Billig ist eine Reise mit dem Autozug der Deutschen Bahn zwar nicht. Für die Strecke Hamburg-Altona in die Schweiz zahlen zwei Erwachsene und zwei Kinder knapp 370 Euro, im Schlafwagen sogar mehr als 800. Dafür können die Autozügler morgens entspannt im eigenen Auto die Reise fortsetzen.
Alte Idee
Schon 1833 gab es die Idee von Personen-Güter-Zügen, beladen mit Kutschen samt Passagieren. Gezeichnet hat dieses Bild Friedrich List (1789 bis 1846). Der liberale Wirtschaftstheoretiker kämpfte für die Abschaffung von Zollgrenzen und den Ausbau des Eisenbahnnetzes. Im schnellen Transport von Personen und Gütern sah er den "mächtigsten Hebel des Nationalwohlstandes und der Zivilisation".
Gute Fahrt!
Dieses undatierte Foto zeigt die Verladung eines Automobils in einen Autoreisezug um 1938. Seit 86 Jahren nimmt die Bahn in Deutschland Autos mit in den Urlaub. Am 1. April 1930 wurden die ersten Personenwagen mit einem Eilgüterzug auf den Weg von Hamburg nach Basel geschickt, einen richtigen Boom erlebte das luxuriöse Angebot in den 1960er Jahren.
Internationale Angebote
Das Nordportal des Simplontunnels in der Schweiz mit einem Autoreisezug, aufgenommen am 25. Februar 1960. Neben innerdeutschen wurden zahlreiche internationale Verbindungen beispielsweise nach Frankreich, Italien, Griechenland, Ungarn oder in die Türkei eingerichtet. Die Fahrtzeit von Berlin nach Istanbul betrug damals knapp 28 Stunden.
Einfluss der OPEC
Das üppige Angebot kam gut an. 1973, als die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) ihre Fördermengen drosselte, sollen die Autoreisezüge der Bundesbahn 185.500 Fahrzeuge huckepack genommen haben. 15 Jahre später waren es noch rund 145.000 Autos und Motorräder mit 400.000 Passagieren.
Niedergang
Die Autozüge, wie sie seit 1996 offiziell heißen, sind für die Deutsche Bahn mittlerweile zum defizitären Nischengeschäft verkümmert. Im Laufe der Zeit wurden fast alle Verbindungen gekappt. Nur die Routen Hamburg-München und Hamburg-Lörrach blieben übrig. Die Österreichischen Bundesbahnen betreiben noch Nachtzüge mit Autobeförderung auf den Strecken Wien-Hamburg und Wien-Düsseldorf.
Vorwürfe
Kritiker bemängeln, die Bahn habe die Fahrgäste jahrelang in veralteten Liege- und Schlafwagen mit oft engen, verwinkelten Kabinen befördert und damit selbst zum Niedergang der Autozüge beigetragen. Fest steht aber auch: Reisende buchen heute lieber Tickets für Billigflieger und mieten vor Ort – ganz nach Bedarf – einen Leihwagen.
Auch Nachtzüge vor dem Aus
Die Deutsche Bahn will aber nicht nur die Autozüge Ende Oktober aufgeben. Zum Jahresende werden auch die Nachtzüge ausrangiert - ebenfalls ein Verlustgeschäft. Begründung: Diese Züge seien mehr als 40 Jahre alt und bräuchten bei Weiterführung erhebliche Investitionen. Die Österreichischen Bundesbahnen bieten allerdings verstärkt Nachtzüge auf dem deutschen Schienennetz an.
Ausnahme
Einen Autozug will die Deutsche Bahn aber auf keinen Fall aufgeben: Die beliebte Ferieninsel Sylt ist über den Hindenburgdamm mit dem Festland verbunden, über den aber nur ein Bahngleis führt und keine Straße. Deshalb müssen auch Autos mit dem Zug auf die Insel fahren - ein lukratives Geschäft. Immerhin: Für die Fortführung anderer innerdeutscher Autozugverbindungen gibt es private Anbieter.