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Es hätte so schön sein können

Stefan Nestler1. Juli 2012

Die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine hat einen würdigen Sieger gefunden. Und doch wird das Turnier kaum als Fußballfest in Erinnerung bleiben, glaubt DW-Sportredakteur Stefan Nestler.

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Es hätte so schön sein können. Deutschland wäre Europameister geworden, ein Land hätte Kopf gestanden. Und alle wären sich einig gewesen: Ja, diese junge Mannschaft hat sich den Titel verdient. Die Saat, die 2010 bei der WM gelegt wurde, ist zwei Jahre später aufgegangen. Das Team, das den modernsten und attraktivsten Fußball dieser EM spielte, hat zu Recht gewonnen und Deutschland den ersten Titel seit 16 Jahren beschert. Alles so weit richtig, nur dass die Löw-Elf im Halbfinale im Team Italiens ihren Meister fand. Im Endspiel standen mit der Squadra Azzurra und Spanien zwei Mannschaften, die nicht für aufregend neuen, sondern bewährten Fußball standen.

Porträt Stefan Nestler. Foto: DW
Stefan Nestler, DW SportBild: DW

Historischer Erfolg

Am Ende setzte sich Spanien mit seinem inzwischen die Beobachter eher nervenden, statt begeisternden Kurzpass-Spiel durch. Doch Xavi, Iniesta und Co. haben Fußball-Geschichte geschrieben: Drei große Titel in Folge haben sie gesammelt. Das gelang noch keiner anderen Mannschaft. Auch nicht, einen Europameistertitel zu verteidigen. Hut ab also vor den Spaniern – und auch vor den Italienern, die allen Skandalen im Vorfeld zum Trotz wieder einmal bewiesen, dass bei großen Turnieren immer mit ihnen zu rechnen ist.

Früh erloschene Euphorie

Als großes Fußballfest wird man die Europameisterschaft 2012 aber wohl kaum in Erinnerung behalten. Zu mäßig waren insgesamt die Leistungen auf dem Rasen, sieht man einmal von den vier Halbfinalisten ab. Zu viel Taktik, zu wenig Offensivfußball. Vor der EM hoch gehandelte Teams wie die Niederlande, Russland und Frankreich enttäuschten. Dass sich die Ukraine und Polen bereits nach der Vorrunde verabschiedeten, wirkte als weitere Spaßbremse. Der Stimmungsfunke kann nicht aus den Gastgeberländern überspringen, wenn die Euphorie dort längst erloschen ist.

Daneben benommen

Für Unmut sorgten wieder einmal so genannte "Fans" aus mehreren Nationen, die eigentlich keine sind, weil sie sich chronisch daneben benehmen, ob prügelnd, rassistische Gesänge anstimmend oder Bananen auf dunkelhäutige Spieler werfend. Die Europäische Fußball-Union UEFA versäumte es, drakonische Strafen zu verhängen und damit ein Zeichen zu setzen. Vielleicht hat sich der Verband inzwischen damit abgefunden, dass derartige Zwischenfälle im europäischen Fußball leider gang und gäbe sind.

Seifenblase geplatzt

In Deutschland waren die Public-Viewing-Zonen wieder gut gefüllt, die Fan-Artikel in Schwarz-Rot-Gold fanden reißenden Absatz, alle redeten über Fußball. Das gemeinsame Fußball-Feiern ist seit dem Sommermärchen der WM 2006 ein liebgewonnenes Ritual geworden. Doch wenn der sportliche Erfolg zuletzt ausbleibt, platzt die Seifenblase, die vorher wie Patriotismus wirkte. Und alle denken: Es hätte so schön sein können.