Es klingelt, also bin ich
Kennt das Telefonieren keine Tabus mehr? Das Smartphone ist zum Fetisch geworden. Die Ausstellung "Hamster - Hipster - Handy" im Frankfurter Museum Angewandte Kunst zeigt, welche Blüten die Abhängigkeit treibt.
Mobile Evolution
1983 funkt es zum ersten Mal massentauglich. Die Mutter aller Mobiltelefone kostet bei der Markteinführung fast 4000 Dollar. Allerdings mangelt es an Gesprächspartnern, weil sich kaum jemand den teuren "Knochen" leisten kann. Erfinder Martin Lawrence Cooper ließ sich übrigens von den "Star Trek"-Filmen inspirieren. Erst ab 1996 setzt sich das Handy zunehmend durch – und wird immer kleiner.
Das Handy nagt an uns
Nein, dieser Hamster ist kein Teil der Ausstellung, aber Mediziner testeten an seinen Artgenossen, ob sich Handystrahlungen schädlich auf sein Gehör und Gehirn auswirken können. Der Nager dient daher als Namensgeber der Schau und als Symbol der negativen Auswirkungen des Handys auf den Menschen. Auch auf das Hipster-Gehirn dürfte das Smartphone nicht ganz folgenlos einwirken.
Tierisch aufgeladen
Wenn der Strom mal ausfällt, ist Improvisation gefragt: Dieses Handy wurde mit Hilfe eines Hamsters aufgeladen, der im Laufrad seine Runden drehte. Ein mühseliges und langwieriges, aber letzten Endes erfolgreiches Unterfangen. Besucher der Ausstellung können das nicht ausprobieren, der Nager stellte sich für das Experiment nur einmalig zur Verfügung.
Elektronische Vorreiter
"Kraftwerk", 1970 von Ralf Hütter und Florian Schneider gegründet, gelten als Pioniere des Elektropop. Damals hatten Computer noch Ausmaße von mehreren Quadratmetern, das Mobiltelefon war noch Zukunftsmusik. Trotzdem produzierten Kraftwerk ihr Album "Autobahn" rein elektronisch und sahen sich eher als Maschinisten denn als Musiker. Bis heute pflegen sie ihr Roboterimage.
Bitte Platz nehmen
Ein Hund als Handysessel ist nur eins von zahlreichen Accessoires, die es ohne Mobiltelefon gar nicht geben würde. Es beeinflusst unser Konsumverhalten und unseren Kommunikationsstil. So gilt Briefeschreiben als vorsintflutlich, SMS und Apps sind angesagt… Vor kaum 25 Jahren ließen sich stolze Ersthandybesitzer noch von Dienstleistern anrufen, damit das Gerät überhaupt mal klingelte.
Du bist nicht allein!
Jeder kennt das: Man sitzt irgendwo und muss ungewollt das nicht selten recht lautstarke Gespräch eines Unbekannten mithören. Handybenutzer meinen oftmals, sie seien allein auf der Welt. Stefan Constantinescu thematisiert dieses alltägliche Phänomen in einem Kurzfilm: Der Mann im Bild stößt angsteinflößende Drohungen aus; die Dame neben ihm gibt sich betont unbeteiligt.
Wo bitte geht es zum Empfang?
Jeder ist auf der Suche nach dem besten WLAN-Empfang schon mal mit seinem Smartphone hin- und hergelaufen. Der Designer Luis Hernan misst mit einer App die digitalen Spuren und macht sie fürs menschliche Auge sichtbar. Blau bedeutet: Spitzenempfang. Seine begehbaren Installationen beleuchten das Handy und seine Welt aus technisch-ästhetischer Perspektive.
"Menschentracks" im Netz der Spinne
Diese Installation rückt die alltägliche Massenüberwachung in den Fokus: Zu sehen sind Videosequenzen von gehackten Smartphones. Mittels Schadprogrammen, die über ein öffentliches WLAN-Netz eingeschleust werden, können Fremde die Kamerafunktion eines Mobiltelefons auslösen, erklärt Künstler Florian Mehnert. Hier wird der Besucher zum Beobachter.
Das Phänomen "Selfie"
Die Technik dient der Überwachung, kann aber auch Unrecht aufzeigen: So verbreitete sich dieses Selfie des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, der von der Polizei abgeführt wird, 2009 über Twitter um die Welt. Mittlerweile ist das Selfie ein Massenphänomen. Warum Millionen Menschen ihre Fotos ins Netz stellen, untersucht jetzt ein internationaler Kongress von Wissenschaftlern in Marburg.
Piet Mondrian im Fokus des Tablets
Der New Yorker J. Robert Feld hat ein Phänomen der Neuzeit unter die Lupe genommen: die Invasion der Technik im Museum. Statt ein Bild intensiv zu betrachten, hasten viele Besucher von Kunstwerk zu Kunstwerk und fotografieren es. Das inspirierte Feld zu einer Serie von Bildern, bei denen der Betrachter die echten Farben eines Mondrian-Gemäldes nur über das Display seines Tablets sehen kann.
Surrealismus aus dem iPhone
Die künstlerische Welt des Franzosen Cedric Blanchon wäre ohne Smartphone gar nicht denkbar. Er fotografiert seine Motive mit dem iPhone und bearbeitet sie anschließend auch auf dem Gerät. Dabei entstehen Aufnahmen von surrealistischer Ästhetik, die ihm bei so einem neuartigen Wettbewerb wie dem "Annual Mobile Photography" 2013 den ersten Platz beschert haben.
Einfach nur Durchschnitt
Sind diese Bilder im Passautomaten oder mit dem Mobiltelefon gemacht? Das lässt der Künstler offen. "4 Averages" (4 x Durchschnitt) heißt sein Werk, das er in einer Bilderserie bis zur Unendlichkeit verkleinert und Raum für Spekulationen lässt. Die Ausstellung "Hamster – Hipster – Handy. Im Bann des Mobiltelefons" ist bis zum 5. Juli im "Museum Angewandte Kunst" in Frankfurt am Main zu sehen.