Härterer Kurs möglich
12. Mai 2014"Wir müssen den Druck auf Russland aufrechterhalten, um am Ende zu einer politischen Lösung zu kommen", so beschreibt ein hochrangiger EU-Diplomat in Brüssel das Ziel der Außenministertagung an diesem Montag (12.05.2014). Die Außenminister der 28 EU-Staaten erhalten verschiedene Listen und Optionen zur Ausweitung der Sanktionen in der Ukraine-Krise. Diese Vorschläge hatten die EU-Botschafter und die EU-Kommission in der ablaufenden Woche vorbereitet.
Der Personenkreis, gegen den Sanktionen verhängt werden könnten, wird erheblich ausgeweitet. Die bislang sehr eng gefassten Kriterien sollten entsprechend ergänzt werden, sagte ein EU-Diplomat, der anonym bleiben wollte. Künftig könnten auch Personen mit Kontosperren und Reiseverboten belegt werden, die "internationale Organisationen an der Erfüllung ihrer Aufgaben hindern" oder die "die russische Regierung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen". Die EU hat bereits eine konkrete Liste mit weiteren Namen vorbereitet, die aber streng vertraulich behandelt wird. Damit neue Sanktionen beschlossen werden können, müssten auf jeden Fall die Außenminister der EU am Montag geschlossen zustimmen.
Vorerst keine harten Sanktionen für die russische Wirtschaft
"Das hängt ganz von der Entwicklung in der Ukraine ab und der politischen Einschätzung der Minister, ob Sanktionen sinnvoll sind oder nicht", sagte ein Beamter des Rates. Die Minister wollen deutlich machen, dass sie das Ergebnis des als illegal erachteten "Referendums" in der Ostukraine auf keinen Fall anerkennen.
Nach den neuen Kriterien für EU-Sanktionen wäre es möglich, Personen zu treffen, die für die Entführung der OSZE-Beobachter verantwortlich waren. Ins Visier geraten auch russische oder ukrainische Oligarchen, die die Regierung in Moskau unterstützen. Erstmals wäre es auch möglich, russische oder ukrainische Unternehmen mit Sanktionen zu belegen, die mit Personen verbunden sind, die unter die Kriterien für Sanktionen fallen. Allerdings, so schränken EU-Diplomaten ein, handelt es sich nicht um Sanktionen, die die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Unternehmen einschränken. Es geht nur um das Sperren von Vermögenswerten dieser Firmen in der EU. Die USA hatten bereits russische Unternehmen und eine Bank mit Sanktionen belegt. Die Europäische Union könnte jetzt, nicht zuletzt auf Drängen der USA, nachziehen.
Nach wie vor sprechen die Außenminister der Europäischen Union nur über Sanktionen der sogenannten Stufe 2. Über die Stufe 3, also echte Wirtschaftssanktionen mit Verboten für ganze Branchen, werde am Montag nicht gesprochen, so EU-Diplomaten. Obwohl eine Staatengruppe um Großbritannien und Polen auf schärfere Strafmaßnahmen drängt, liegt eine Entscheidung darüber noch in weiter Ferne. Das hänge aber von der weiteren Entwicklung in der Ukraine-Krise und vom Verhalten des russischen Präsidenten Wladimir Putin ab, hieß es in Brüssel vor der Sitzung der Außenminister.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande hatten bei ihrem Treffen am Samstag festgelegt, dass Wirtschaftssanktionen verhängt werden sollten, falls Russland die Präsidentschaftswahl am 25. Mai in der Ukraine blockieren und untergraben sollte.
Deutschland will sich auf Hilfen konzentrieren, nicht auf Strafen
Die EU-Kommission hatte jedem der 28 EU-Botschafter eine landesspezifische Analyse über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen von breiten Wirtschaftssanktionen überreicht. Diese Analyse hatten die Staats- und Regierungschefs im März in Auftrag gegeben, um besser abschätzen zu können, welche Sanktionen sinnvoll sein könnten und welche nicht. Das Online-Portal stern.de zitiert aus diesen an sich streng vertraulichen Unterlagen.
Danach würden breite Sanktionen der EU und zu erwartende Gegenmaßnahmen Russlands für Deutschland im schlimmsten Fall einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,9 Prozent in diesem Jahr auslösen. Wie sich eventuelle Preissteigerungen bei Erdgas oder Erdöl auf die Verbraucher in Europa oder gar weltweit auswirken würden, sei schwer vorherzusehen, schreibt die EU-Kommission in ihrem Bericht.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird sich bei den Gesprächen mit seinen Außenminister-Kollegen daher nicht so sehr auf Sanktionen konzentrieren, sondern "für ein starkes Signal der Unterstützung an die Ukraine" plädieren, meinen EU-Diplomaten. Man wolle nicht in einen Handelskrieg schlittern, sondern sich eher für "Runde Tische" auf allen Ebenen einsetzen, um den Dialog zwischen den Konfliktparteien - Ukraine, Separatisten, Russland und EU - in Gang zu bringen. Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai sollte auf jeden Fall wie geplant stattfinden.
OSZE schickt Wahlbeobachter
Die Beobachtung der Wahlen will die Europäische Union der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überlassen. Die OSZE baut diese Mission gerade auf. Ob und wie die Beobachter im Osten der Ukraine ohne die Gefahr einer erneuten Entführung eingesetzt werden können, muss noch geklärt werden.
Die EU-Staaten wollen 105 Beobachter in die OSZE-Mission entsenden. Das Europäische Parlament schickt sieben Abgeordnete als Wahlbeobachter in die Ukraine. Das dürfte eines der Themen sein, über die die EU-Außenminister mit dem OSZE-Vorsitzenden, dem amtierenden Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter, sprechen wollen. Burkhalter kommt am Montag nach Brüssel, um über sein Vermittlungsgespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vergangene Woche zu berichten. Burkhalter hatte Hoffnung erkennen lassen, dass die OSZE eine Art Friedensplan für die Ukraine vorschlagen kann, den der Schweizer Politiker mit Wladimir Putin besprochen hatte.
Sanktionen sind für die EU komplizierter Rechtsakt
Über das Wochenende wurde an der Vorbereitung der möglichen Ausweitung der Sanktionen gearbeitet. Die Texte müssten in eine Verordnung der EU gegossen werden, die im Amtsblatt veröffentlicht wird. Die Rechtsgrundlage müsse "wasserdicht" sein, damit sie einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof standhalte. Denn gegen verhängte Sanktionen können Betroffene beim Gerichtshof in Luxemburg Klage erheben.
Das komplexe Verfahren der Europäer ruft bei den amerikanischen Partnern immer wieder Verwunderung hervor. In Washington genügt eine einfache Anordnung des Präsidenten, gegen die es kaum Rechtsmittel gibt.
Am Dienstag soll der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk nach Brüssel kommen, um mit der EU-Kommission über geplante Finanzhilfen zu verhandeln. 1,6 Milliarden Euro stehen sofort bereit. 14 weitere Milliarden sollen in den nächsten Jahren folgen.