EU schockiert über angebliche Verwanzung
1. Juli 2013Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen sprach von "extrem verstörenden, besorgniserregenden" Berichten. Die Europäische Union erwarte nun von den US-Behörden eine rasche Aufklärung. "Klarheit und Transparenz ist das, was wir von unseren Partnern und Verbündeten erwarten." Diese Hoffnung scheint aber zu trügen. Schlimmer noch, die Amerikaner scheinen die EU-Vertreter geradezu vorzuführen. Als die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton das Thema auf einer Reise nach Asien bei US-Außenminister John Kerry ansprach, sagte der, es sei "nicht unüblich", dass Staaten Daten über andere Länder sammelten.
Barroso lässt alle EU-Vertretungen überprüfen
Was die angebliche Verwanzung von EU-Einrichtungen in Washington und New York betrifft, so relativierte Ashtons Sprecher Michael Mann die mögliche Bedeutung einer solchen Aktion. Die Berichte bezögen sich auf Zeiträume vor einigen Jahren und die EU-Vertretungen sowohl in Washington als auch in New York seien inzwischen in andere Gebäude umgezogen. Selbstverständlich habe man deren Sicherheit geprüft. Doch laut Sprecherin Ahrenkilde Hansen hat Kommissionspräsident José Manuel Barroso vorsichtshalber eine "sofortige, umfassende Sicherheitsüberprüfung" aller EU-Büros weltweit angeordnet.
Kommission sieht keinen Zusammenhang mit Freihandelsgesprächen
Die Kommissionssprecherin reagierte nervös und ausweichend auf die Frage, ob die Affäre Auswirkungen auf die bald beginnenden Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen haben werde. Im Moment gehe es um die Aufklärung der Abhörvorwürfe. "Es geht jetzt um nichts anderes. Wir haben keine anderen Ankündigungen zu machen. Sie mögen das bedauern, aber so ist es." Die Kommission hat sich von Beginn an für ein solches Abkommen als große Chance für die wirtschaftliche Erholung Europas eingesetzt. Würden die Verhandlungen jetzt gestoppt, stünde auch für die Kommission ein Prestigeprojekt auf dem Spiel.
Andere drohen mit Abbruch der Verhandlungen
Doch genau das könnte passieren. Frankreichs Präsident François Hollande sagte am Montag (01.07.2013) im westfranzösischen Lorient: "Solange wir diese Garantien nicht haben, kann es keine Verhandlungen geben." EU-Justizkommissarin Viviane Reding klagte ihrer Sprecherin zufolge bei einer öffentlichen Veranstaltung in ihrer luxemburgischen Heimat: "Partner spionieren einander nicht aus. Wir können nicht über einen großen transatlantischen Markt verhandeln, wenn auch nur die geringsten Zweifel bestehen, dass unsere Partner die Büros unserer Unterhändler ausspionieren." Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, meinte in einer offiziellen Stellungnahme: "Ich bin zutiefst besorgt und schockiert über die Vorwürfe, dass die US-Behörden EU-Büros ausspionieren. Wenn sie zutreffen, wäre das eine sehr ernste Angelegenheit, die sich auf die Beziehungen zwischen der EU und den USA in ernster Weise auswirken würden." Elmar Brok, CDU-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, meinte im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Wie soll man noch verhandeln, wenn man Angst haben muss, dass die eigene Verhandlungsposition vorab abgehört wird?"
Europäisches Asyl für Edward Snowden?
Die Grünen im Parlament wollen die Sache am Dienstag (02.07.2013) im Plenum zur Sprache bringen. Rebecca Harms, Ko-Vorsitzende der Grünenfraktion, fordert bereits jetzt die Bildung eines Sonderausschusses des Parlaments. "Wir dürfen die Entscheidung nicht auf nach dem Sommer verschieben". Die Abkommen mit den USA über den Austausch von Flugpassagier- und Bankdaten solle die EU aufkündigen. Und vor jeder Verhandlung mit den USA über ein Handelsabkommen müsse eine Debatte über die Völkerrechtsverletzungen durch die Spionageprogramme PRISM und Tempora gestellt werden, so Harms. "Die letzten Tage zeigen, wie dringend wir ein internationales Abkommen zum Datenschutz brauchen." Ihr Fraktionskollege Daniel Cohn-Bendit fordert außerdem europäisches Asyl für den flüchtigen früheren amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Cohn Bendit lobt Snowden, weil er "die Rechte auch europäischer Bürger verteidigt hat." Die Grünen im Europaparlament würden Snowden für den Sacharowpreis des Europarlaments für Meinungsfreiheit vorschlagen.