Frankreich sucht die "Charlie"-Mörder
9. Januar 201548 Stunden nach dem Attentat fragen viele Analysten in den französischen Fernsehsendern, die rund um die Uhr berichten, wie es sein kann, dass die Männer nicht gefasst werden können. Polizeiexperten sagen, man müsse äußerst vorsichtig vorgehen, da die Brüder schwer bewaffnet und offenbar völlig kaltblütig zu allem entschlossen seien. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte vor einer neuerlichen Krisensitzung des Kabinetts im Präsidentenpalast in Paris, man tue alles, um die Täter zu fassen. Einer der Brüder soll Verbindungen zum Jemen und zum dortigen Al-Kaida-Ableger haben. Der andere ist vorbestraft, weil er islamistische Kämpfer in den Irak geschleust hat. Beide Männer sind den Sicherheitsbehörden seit langem bekannt und sollen für die USA ein Einreiseverbot haben, berichten US-amerikanische Quellen.
Muslimische Verbände verurteilen die Tat
Nach dem nationalen Trauertag am Donnerstag, an dem Tausende Franzosen der Opfer des Attentats gedacht haben, geht das Gedenken auch an diesem Freitag weiter. Bei den Freitagsgebeten in den Moscheen von Paris soll der Anschlag auf die Karikaturisten und Journalisten von "Charlie Hebdo", die die Religionen oft heftig kritisierten, verurteilt werden. Dazu hatten die islamischen Verbände Frankreichs aufgerufen. Der französische Islamgelehrte Tariq Ramadan sagte der Zeitung "Liberation": "Da wurde nicht der Prophet in irgendeiner Weise gerächt. Es sind unsere Religion, die Werte und Prinzipien des Islam, die angegriffen und verletzt wurden." In der islamischen Glaubensgemeinschaft geht auch die Sorge um, dass die islamkritische Haltung vieler Franzosen noch verstärkt wird. Am Donnerstag gab es zwei Angriffe auf muslimische Einrichtungen außerhalb von Paris. "Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich meiner Frau, die den Schleier trägt, gesagt habe, sie solle vorsichtig sein, wenn sie auf die Straße geht", sagte Hassen Farsadou, der Präsident einer islamischen Vereinigung in Paris.
Streit um Demonstrationszug am Sonntag
Die französische Regierung hat für Sonntag zu einem "Marsch der Republikaner" gegen Terrorismus und für die Einheit der Nation aufgerufen. Nur der rechtspopulitische "Front National", der Einwanderung und den Islamismus scharf kritisiert, wurde nicht eingeladen. Dagegen protestierte die Parteichefin und Europaabgeordnete Marine Le Pen. Sie verweist darauf, dass der "Front National" bei der letzten Europawahl die stärkste politische Kraft in Frankreich war und inzwischen auch einige Städte in Frankreich regiert. Marine Le Pen forderte die Wiedereinführung der Todesstrafe für Terroristen. Das werde sie sofort in Angriff nehmen, sobald sie Präsidentin Frankreichs sei, sagte Le Pen. Sie will bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2017 kandidieren. Am Freitag empfing Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande Marine Le Pen. Er hatte gestern bereits mit dem ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy gesprochen. Sarkozy will bei den nächsten Präsidentschaftswahlen ebenfalls wieder antreten. Hollande trifft demonstrativ seine politischen Gegner, um zu zeigen, dass in Zeiten der Krise alle Kräfte zusammenstehen müssen. Der in Meinungsumfragen als äußerst unbeliebt beurteilte Francois Hollande handele unter "Schock, aber einigermaßen entschlossen", urteilen einige Zeitungskommentatoren in französischen Zeitungen.
"Charlie Hebdo" lebt weiter
Der Anwalt der Zeitschrift "Charlie Hebdo" bestätigte, dass das Blatt weiter erscheinen werde. Französische Medien hatten den überlebenden Redakteuren und Zeichnern jede erdenkliche Hilfe, Räume und Ausrüstung angeboten. Bereits nächsten Mittwoch soll die nächste Nummer der Satirezeitung an den Kiosken erhältlich sein. Die Auflage wird nach Angaben des Verlages von "Liberation" dann bei einer Million Exemplaren liegen. Bislang verkaufte "Charlie Hebdo" höchstens 60.000 Exemplare. In der Straße, in der sich das blutige Attentat auf die Pressefreiheit ereignete, legen viele Menschen Blumen nieder und zünden Kerzen an. Zahlreiche Kamerateams aus aller Welt sind vor Ort. Die Korrespondenten von CNN, BBC und auch der Deutschen Welle berichten vom Gedenkort über die Entwicklung in Frankreich. Auch die Journalisten legten am Donnerstag eine Schweigeminute ein und hielten ihre Presseausweise in die Höhe: "Die Pressefreiheit kann man nicht töten."