Zwischen Fluten und Dürre – Klimawandel in Bolivien
20. April 2010Vorbei an saftigen Bananenplantagen geht es zum Fluss Chimoré in der Region Chapare. Schließlich durchschreiten wir dichten Regenwald. Grillenzirpen und Vogelgesang betören unsere Ohren. Idyllische Landschaft, feucht-warmes Klima. Die Idylle scheint so gar nicht zusammenzupassen mit den Sorgen der Menschen, die dort leben. Einige Bewohner eines nahe gelegenen Dorfes begleiten uns.
Marcia Sabera hat große Angst vor den nächsten Regenfällen: "Wenn es hier einmal anfängt zu regnen, liegt es in Gottes Hand. Es regnet, regnet und das Wasser steigt." Die Rede ist vom Fluss, der im vergangenen Jahr über die Ufer getreten ist und das gesamte Dorf überschwemmt hat. "Es liegt am Klimawandel“, sagt sie. Derartige Regenfälle habe sie früher nicht erlebt. Sie sind häufiger, unberechenbarer.
Klimaforscher David Cruz Choque sieht die Ursachen in Erderwärmung und der Abholzung des Regenwaldes: "Die Waldrodung in Bolivien umfasst rund 300.000 Hektar pro Jahr. Das verursacht die Überschwemmungen im Tiefland, denn die Bäume halten das Wasser auf." Dieses Jahr sind die Regenfälle noch ausgeblieben. "Doch wenn sie sich verspäten, kommen sie meistens heftiger", berichten die Dorfbewohner am Fluss.
"Das Leben ist härter geworden"
Knapp 500 Kilometer vom tropischen Tiefland entfernt liegt eine andere Klimazone: das bolivianische Hochland, das Altiplano. Eine schmale Straße führt durch das Gebirge zu der Kleinstadt Achacachi, die fast 4.000 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Auf dem Weg ist kaum eine grüne Pflanze zu entdecken.
Um Achacachi leben verschiedene indigene Lebens-Gemeinschaften, die fast alle dem Volksstamm der Aymara angehören. Wir treffen dort die Bäuerin Amalia Quispede: "Das Leben ist härter geworden. Es ist nicht mehr wie früher, als es noch regnete, als wir noch gesät haben, es hat sich total verändert." Die Menschen leiden unter extremen Wassermangel.
"Wir haben kein Gras mehr für unser Vieh. Die Brunnen sind ausgetrocknet, der Fluss ebenfalls. Jetzt haben wir von unserem Vieh gelebt, aber auch das stirbt." So beschreibt die Aymara-Indianerin ihre Situation.
Die wenigen Kühe, die hier auf dem Altiplano herumstehen, sehen abgemagert aus. Der Boden weist tiefe Risse auf, ist ausgedörrt und grau. Die Ernten gehen ein, weil es in dieser Region seit einigen Jahren immer weniger regnet. Und die Sonne scheint unbarmherzig. Auch eine Folge des Klimawandels. Die dänische Klimaforscherin Lykke Andersen sieht schwarz für die Zukunft des Altiplano: "Die Menschen müssen in die Städte oder in andere Länder abwandern. Das wäre die einfachste Lösung." Es sei leichter sich an die immer extremer werdenden Klimaverhältnisse anzupassen, denn dieser Prozess lasse sich nicht aufhalten, so die Dänin.
Anpassen an den Klimawandel
Die bolivianische Landbevölkerung auf die Folgen des Klimawandel vorzubereiten, dafür engagiert sich Wolfgang Hees. Der Lateinamerika-Referent der Caritas hat sich seit einigen Jahren auf die Katastrophenprävention in Bolivien spezialisiert: "Es ist so, dass durch den Klimawandel ganze Produktionssysteme und kulturelle Errungenschaften durcheinander gebracht werden. Von daher muss es eine Umorientierung geben."
Dass Bolivien sich an den Klimawandel anpassen muss, hätten die Industrieländer zu verantworten, sagt Cruz Choque. Im Hinblick auf den Klimagipfel in Kopenhagen fügt er hinzu: "Ich denke, die Vereinigten Staaten – sie haben das Kyoto-Protokoll nicht unterschrieben – sollten sich der Tatsache stellen, dass sie die Hauptemitenten von CO2 sind mit ungefähr 30 Prozent." Bolivien dagegen mache nur 0,03 Prozent der globalen CO2-Ausstöße aus. Aber die Konsequenzen für das Land seien immens.
Autorin: Tini von Poser
Redaktion: Sven Töniges