Forever Young
5. Mai 2003Vor wenigen Tagen begann in Skandinavien Neil Youngs Konzert-Tour. Wie immer begeistert er sein Publikum mit hoch politischen, Amerika-kritischen Songs rund um Machtmissbrauch, Umweltprobleme und sein schwieriges Verhältnis zu seiner Wahlheimat. "Ich liebe Amerika, doch manches, was wir tun, macht mir Höllenangst", sagt der gebürtige Kanadier. Viele Fans haben auf eine musikalische Stellungnahme von ihm zur Politik von US-Präsident George Bush gewartet. Endlich ist es soweit.
"Ich habe mich selbst verfilmt"
Youngs Stellungnahme zur Lage der Nation besteht aus zehn Liedern auf seinem neuen Album "Greendale", aus dem er auch einen Film gemacht hat. Beides, Musik und Film, reflektieren Youngs Gedanken über das heutige Amerika.
"Greendale" heißt das fiktive Provinz-Nest, in dem die Handlung spielt. Es ist eine tragische Familiengeschichte, die amerikanische Kleinstadtproblematiken hervorhebt: Der Sohn sitzt im Knast, nachdem er im Kokain-Rausch einen Polizisten erschossen hat. Der Großvater fällt den nach familiären Details gierigen Medien zum Opfer, und die Tochter Sun Green zieht gegen Krieg, Ölkonzerne und korrupte Politiker ins Feld. Am Ende kämpfen alle gemeinsam für eine bessere Welt.
"Greendale" kommt als Öko- und Protestepos daher – oft etwas platt und ziemlich eindimensional. Schließlich ist Young kein Philosoph und auch kein Literat, sondern vor allem eben Musiker. Er sagt über seinen Film: "Ich möchte lieber, dass 'Greendale' über mich spricht, als das ich spreche. Denn ich bin nicht sehr redegewandt. Die Dinge, die Songs, die ich kreiere und schreibe, sprechen eine viel klarere Sprache als ich selbst." Sich selbst zu verfilmen bedeutete für Young, dass er sich hinter die Kamera stellte und die Menschen im Film – fast ausschließlich Laiendarsteller – seine Lieder singen ließ.
Fossil aus alten Hippie-Tagen
Young überraschte schon immer durch seine Fähigkeit zu Wandel und Stilbrüchen. Angefangen von Flower Power, über Experimente mit Computermusik bis hin zu Punk und Hardrock – immer wieder änderte er seinen musikalischen Stil. Doch ein Thema blieb: das Misstrauen gegenüber politischer Macht. So traut sich Young auch heute, was viele in der momentanen Situation nicht tun. Er legt mit dem neuen Album und dem zugehörigen Film ein politisches Manifest für eine anderes Amerika vor. Young sieht das Land von der Politik Bushs zerrissen: "Manche Leute zählen nur noch die Tage bis zur nächsten Wahl."
Young ist längst eine Legende im internationalen Rock-Zirkus: laut, wild und rau. Und: Er ist einer der letzten großen Barden, einer, der zur kleiner werdenden Schar der Woodstock-Veteranen gehört und es gleichzeitig geschafft hat, die Hippie-Nostalgiker in Würde hinter sich zu lassen. Zurzeit ist Young nach zig Jahren erstmals wieder auf Solotour. Seine neuen Songs präsentiert er unplugged - mit möglichst wenig technischer Ausrüstung.
Live in concert
Wer ihn auf die Bühne schlurfen sieht, könnte ihn für einen greisen Mann halten. Er wirkt deutlich älter als 57 Jahre. Wenn er dann allerdings loslegt, scheint plötzlich ein junger Musiker vor dem Publikum zu sitzen. Ausgefeilte Lichteffekte hat er nicht nötig: wenige Scheinwerfer und zwei Kerzen sorgen für Lagerfeuerstimmung. Wenn Young singt, den Oberkörper hin und her wiegt, sind die Zuhörer gebannt. Es drängt sich der Eindruck auf: Dieser Mann könnte auch den Text von Gebrauchsanweisungen musikalisch umsetzen, und trotzdem würde niemand den Saal verlassen.
Die renomierte Musikzeitschrift "Billboard" schrieb einst: "Neil Young ist immer dann am besten, wenn er allein auf der Bühne ist, seine Gitarre spielt und singt. Mit seiner Stimme kann er jedes Gefühl ausdrücken." Noch besteht die Möglichkeit, sich selbst davon zu überzeugen.
Weitere Konzerttermine im Mai 2003: 5. Mai München, 7. Mai Stuttgart und 9. Mai Hannover. Das Album "Greendale" erscheint am 3. Juni 2003.