Neue Untersuchung der Ostsee-Fähre "Estonia"
10. Juli 2021Am Unglücksort haben die zuständigen Ermittlungsbehörden aus Estland und Schweden erste Arbeiten zu einer Vorstudie aufgenommen. Wie die schwedische Havariekommission mitteilte, trafen das schwedische Schiff "Electra af Askö" und die estnische "Eva 316" an der Stelle ein, an der die Fähre 1994 gesunken ist. Dabei wird das Wrack der "Estonia" mit Echolot- und Sonargeräten untersucht. Auch ein Unterwasserroboter mit Kamera kommt zum Einsatz. Die Daten, die mit Hilfe von Experten der Stockholmer Universität SU erhoben werden, sollen später visualisiert werden, was mehrere Monate dauern kann. Umfassendere Untersuchungen sind dann im nächsten Frühling geplant.
Auf einem weiteren Schiff der estnischen Grenzwache hielten Bischöfe aus Finnland, Schweden, Estland und Lettland zunächst eine Gedenkzeremonie für die Todesopfer ab. Wie die Nachrichtenagentur TT meldete, spielte ein Trompeter und die Bischöfe warfen jeweils eine weiße Rose ins Meer.
Der Untergang der "Estonia" war eines der schlimmsten Schiffsunglücke des 20. Jahrhunderts. Die Fähre war in der Nacht zum 28. September 1994 mit 989 Menschen auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Südküste gesunken. 852 Menschen ertranken. Nur 137 Insassen überlebten, womit der Untergang als schwerste Schiffskatastrophe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gilt.
Seit 1995 Ruhestätte
Schweden, Estland und Finnland entschieden sich gegen eine Bergung des Wracks und erklärten 1995 seinen Lageplatz in internationalen Gewässern offiziell zu einer letzten Ruhestätte, die gemieden werden muss. Damit wurden auch Tauchgänge zu dem Wrack untersagt, das in 80 Metern Tiefe liegt.
Im Vorjahr säte jedoch ein Dokumentarfilm Zweifel an den Ergebnissen der offiziellen Untersuchung der Unglücksursache. Der Film zeigte, dass ein Tauchroboter unter anderem ein mehrere Meter großes Loch im Schiffsrumpf entdeckt hat. Schweden brachte nach den Enthüllungen gesetzliche Änderungen auf den Weg, damit Behörden die Funde genauer untersuchen können. Diese Änderungen sind Anfang Juli in Kraft getreten.
Der offizielle Untersuchungsbericht hatte 1997 ergeben, dass bei heftigem Seegang die bereits beschädigte Bugklappe der "MS Estonia" abgerissen worden sei. Dadurch sei Wasser in das Deck eingedrungen, auf dem die Passagiere ihre Autos abgestellt hatten. Experten in dem Dokumentarfilm sagten jedoch, dass nur eine massive Kraft von außen die Bugtür aufreißen könne. Diese Einschätzung warf Fragen über den tatsächlichen Unfallhergang auf. Opferangehörige und Überlebende des Unglücks hatten jahrzehntelang für eine tiefergehende Untersuchung der Ursachen gekämpft.
kle/sti (afp, dpa)