Sehr scharfe Kritik
13. Oktober 2006Im Atomkonflikt mit Nordkorea sieht Gorbatschow vor allem Russland und China in der Pflicht. "Aus dem Club der Atommächte könnten insbesondere Russland und China einen Beitrag zur Lösung des Nordkorea-Problems leisten", sagte Gorbatschow in dem Interview mit der "Netzeitung" am 13.10.06. Immerhin hätten die beiden Staaten "schon immer enge Beziehungen" zu Nordkorea unterhalten.
Alle sollten abrüsten
Den Atommächten warf er vor, mit ihrer Arroganz zur Zuspitzung der Lage in Ostasien beigetragen zu haben. Um die Lage zu entspannen, müssten die Staaten, die heute legal über atomare Waffen verfügten, weiter abrüsten. Der Abrüstungsprozess sei allerdings zum Stillstand gekommen, bestehende Nuklearwaffen würden immer weiter vervollkommnet.
Chancen nicht genutzt
Über die USA sagte Gorbatschow: "Sie können sich nicht von ihrer alten Europapolitik lösen, die sie nach dem Kalten Krieg angefangen haben. Da war es ihnen darum gegangen, in ganz Westeuropa das Sagen zu haben. Und diesen alten Anspruch werden die Amerikaner nicht los." Nach dem Fall der Mauer seien die Chancen nicht genutzt worden, eine neue Weltordnung herzustellen: "Da hat der Westen mehr seine geopolitischen Interessen verfolgt. Mit dem weltweiten Handel hat er ausgenutzt, was durch eine spontane, unkontrollierte Globalisierung möglich wurde."
Zur künftigen Rolle der USA sagte Gorbatschow: "Die USA werden auch in Zukunft durchaus ihre Rolle zu spielen haben. Aber nicht mehr die gleiche Rolle, sondern eine geringere Rolle." Es werde ein gestärktes vereintes Europa geben, dazu noch die großen Staaten wie Russland, China, Indien, Japan und Brasilien. "Dann müssen die Amerikaner verstehen, dass es notwendig ist, Dinge partnerschaftlich zu entscheiden und als Partner zu handeln, anstatt immer nur Kommandos geben zu wollen."
Partner Europa
Gorbatschow kritisierte auch die Europa-Politik der Amerikaner: "Man muss den Amerikanern mal ganz klar sagen: Es gibt nicht nur die Interessen der Vereinigten Staaten, sondern auch legitime Interessen der Europäischen Union, wo eine halbe Milliarde Menschen leben, die in der Lage sein müssen, ihr eigenes Schicksal, ihren eigenen demokratischen Weg zu entscheiden." (kas)