Grüne Woche: Osteuropäer hoffen auf die EU
19. Januar 2015Die fruchtbarsten Äcker Europas liegen in der Ukraine. Sie bestehen aus Schwarzerde mit einer dicken Humusschicht. Rund 60 Millionen Tonnen Getreide, hauptsächlich Weizen, Mais und Gerste, werden jährlich in der Ukraine geerntet, 2014 waren es trotz des Krieges im Osten des Landes sogar 63 Millionen Tonnen. Mehr als die Hälfte davon wird ins Ausland verkauft. Damit ist das Land der weltweit drittgrößte Getreide-Exporteur, gleich hinter den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. Bei den Ölsaaten ist die Ukraine sogar Weltmarktführer.
Das hört sich gut an und tatsächlich ist die Landwirtschaft der stärkste Wirtschaftsfaktor der Ukraine. Das Potenzial sei bei weitem aber nicht ausgeschöpft, sagt Dirk Stratmann, Ukraine-Sprecher der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Angesichts der Rezession und der rasanten Abwertung der ukrainischen Währung erwartet Stratmann in diesem Jahr sogar einen Abschwung.
Gravierender Nachholbedarf
Überall fehlt es an Geld. Die Verkehrswege sind marode, das Bewässerungssystem in der besonders fruchtbaren, aber unter Trockenheit leidenden Südukraine ist völlig veraltet. Überhaupt müsste die Landtechnik verbessert werden. Doch auch dafür fehlt das Geld, die Banken vergeben kaum noch Kredite.
Es müsse dringend gegengesteuert werden, mahnt Stratmann. "Die Regierung der Ukraine muss erkennen, dass die Landwirtschaft eine der wichtigsten und besten Ressourcen ist, um die Wirtschaft anzukurbeln." Er setzt große Hoffnungen in das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. "Westliche Unterstützung kann einen wesentlichen Einfluss haben, wenn sie denn umgesetzt wird."
Eine Anspielung darauf, wie zäh der politische Prozess verläuft. Im Frühsommer 2014 hat die EU die Assoziierungsabkommen nicht nur mit der Ukraine, sondern auch mit Moldau und Georgien unterschrieben. Sie sollen ein Meilenstein auf dem Weg der ehemaligen Sowjetrepubliken in Richtung westlicher Demokratie und Marktwirtschaft sein. Doch zum einen wurde auf Drängen Russlands das im Abkommen eingeschlossene Freihandelsabkommen mit der Ukraine bis Ende 2015 ausgesetzt. Zum anderen ist die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente der EU-Länder immer noch nicht abgeschlossen.
Die Zeit drängt
In Deutschland debattierte der Bundestag erst am vergangenen Freitag (16.1.) zum ersten Mal über die Assoziierungsabkommen. "Wir müssen leider feststellen, dass es ein Jahr nach der Maidan-Bewegung den Menschen nicht besser geht, sondern schlechter", warnte der CDU-Politiker Karl-Georg Wellmann. Dem Assoziierungsabkommen müssten schnell Taten folgen, sonst werde das Vertrauen in die EU verspielt. "Wir dürfen jetzt keine Buchhalterdiskussionen führen, wir müssen aber auch sagen, dass wir mit den bisherigen Reformen der Übergangsregierung noch nicht zufrieden sein können."
Der ukrainische Landwirtschaftsminister Oleksiy Pawlenko weiß, unter welchem Erwartungsdruck seine Regierung steht. Er ist nach Berlin auf die Grüne Woche gekommen, um für sein Land zu werben. Die Ukraine ist auf der Landwirtschaftsmesse mit lediglich sieben Ausstellern und 13 Produkten vertreten. Ein Spiegel der Krise. Auf Druck des internationalen Währungsfonds habe seine Regierung die Subventionen in die Landwirtschaft reduzieren müssen, erklärt Pawlenko. "Von der Regierung kam 2014 nichts, das ist die Situation."
Investoren dringend gesucht
Trotzdem setzt Pawlenko große Hoffnungen in den Agarsektor. "Wir haben das Land, wir haben die Leute, wir haben das Klima." Bis Ende 2020 soll die Getreide-Ernte auf 100 Millionen Tonnen gesteigert werden. Dafür müsse die Landwirtschaft effizienter werden und das biete ausländischen Investoren große Chancen.
Die Regierung arbeite derzeit an einer Landreform, die bis 2017 abgeschlossen sein soll. Derzeit sind nur fünf Prozent aller Flächen durch das Katasteramt erfasst. "Wir müssen erst einmal verstehen, was wir überhaupt verkaufen können", so Pawlenko. Ausländer dürfen nach geltendem Recht in der Ukraine allerdings kein Land erwerben. Auf die Frage, ob sich das ändern wird, geht der Minister nicht ein. "Wir wollen festlegen, dass Investoren Land für sieben bis zwanzig Jahre pachten können", sagt er stattdessen.
Wein und Früchte aus Georgien
Vom Assoziierungsabkommen mit der EU erwarten die Ukraine, aber auch Georgien und Moldau in erster Linie finanzielle Hilfen und fachliche Beratung. Vor allem bei der Übernahme der EU-Standards, zu denen auch die Lebensmittelsicherheit und Veterinärvorschriften zählen. "Ich dachte, ich müsste zurücktreten, als ich gesehen habe, wie viele Regeln wir umsetzen müssen", sagt Moldaus Landwirtschaftsminister Vasile Bumacov. Sein georgischer Amtskollege Nodar Kereselidze ergänzt: "Wir haben eine Liste aufgestellt und kommen auf mehr als 425 Regeln, die wir umsetzen müssen."
Das sei sehr schwierig. Georgien leidet unter einer niedrigen Produktivität, exportiert werden vor allem Früchte, Nüsse und Wein. Mit diesen Produkten, so hofft der Minister, könne sich Georgien eine Nische auf dem EU-Markt erschließen. Es habe keinen Sinn, mit anderen Produkten in einen europäischen Wettbewerb treten zu wollen. Eine Ansicht, die Dirk Stratmann vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft uneingeschränkt teilt: "Für Moldau und Georgien ist es nicht eine Frage der Produktion von Gütern, die in der EU akzeptiert werden, sondern es geht darum, wie sie die besten Vertriebskanäle finden, wie sie die richtigen Mengen produzieren, damit das langfristig ein nachhaltiges Geschäft wird."
Ökologischer Weinanbau in Moldau
Ein Geschäft, auf das vor allem Moldau hofft. Landwirtschaftsminister Bumacov wirbt auf der Grünen Woche für moldawischen Wein. In der Sowetunion war das Land Hauptweinlieferant. Heute werden in Moldau knapp zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit Wein erwirtschaftet. Angebaut werden international bekannte Rebsorten, trotzdem führt der Wein aus Moldau weltweit ein Schattendasein. Bumacov setzt auf ökologische Erzeugung. "Das Weinangebot ist weltweit groß, aber es gibt nicht so viele hochwertige Produkte und das ist unsere Chance."
Dafür müsse aber nicht nur die Landwirtschaft in Moldau weiterentwickelt werden, es sei auch dringend nötig, die Korruption zu bekämpfen. "Das ist im Osten weit verbreitet und viele unserer Firmen denken, das ist nicht schlecht, sie denken, das muss so sein." Investoren würden da natürlich anders denken und sie hätten Recht. "In der Landwirtschaft tötet Korruption das Geschäft und mit der Hilfe aus Brüssel müssen wir dieses große Problem bekämpfen."
Freihandel lässt auf sich warten
Monique Pariat, stellvertretende Direktorin in der Generaldirektion Landwirtschaft bei der Europäischen Kommission, kann das alles nur unterstreichen. "Wir werden niemals Produkte akzeptieren, die die EU-Standards nicht erfüllen", betont sie. Die Kommission sei "aktiv dabei", den assoziierten Ländern "unter die Arme zu greifen". Die Landwirtschaft in Georgien und Moldau werde derzeit mit rund 100 Millionen Euro unterstützt. Der Ukraine werde nicht nur finanziell geholfen, ein Schwerpunkt liege auch in der technischen Unterstützung.
Seit fast einem Jahr kann die Ukraine mehr als 80 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse weitgehend zollfrei in die EU einführen. Das half, den durch Sanktionen eingeschränkten Exportrückgang nach Russland zu kompensieren. Für sensible Güter wie Getreide, Schweine- und Rindfleisch, sowie für verarbeitete Lebensmittel gelten allerdings Exportbeschränkungen in die EU, um die wirtschaftlichen Interessen europäischer Produzenten nicht zu gefährden. Für Geflügel gibt es eine Quote.
Das will der ukrainische Landwirtschaftsminister Pawlenko geändert sehen. Die EU könne den Aufschwung der ukrainischen Landwirtschaft maßgeblich mit beschleunigen, indem sie die Importquoten rasch anhebe, sagt er. "Wir hoffen, dass 2015 auch der Export von Milchprodukten, Schwein- und Rindfleisch in die EU möglich wird - selbst wenn wir dabei erst einmal mit Quoten beginnen."