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Grüner Höhenflug in Baden-Württemberg

Nina Werkhäuser4. März 2016

Droht der CDU ein Wahldebakel in Baden-Württemberg? Laut Umfragen haben die Grünen die Nase vorn. Die von den Christdemokraten geplante Rückeroberung ihres Stammlandes ist alles andere als sicher.

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Winfried Kretschmann grüner Ministerpräsident Baden-Württembergs, am Rednerpult, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/M.Latz

Für die CDU war Baden-Württemberg immer ein Kernland, eine Machbasis, kurzum: eine sichere Bank. Das sahen die Christdemokraten auch dann noch so, als sie vor fünf Jahren das Amt des Ministerpräsidenten an den Grünen Winfried Kretschmann (im Artikelbild) verloren. Dem reichte damals das Wahlergebnis von 24,2 Prozent für eine Koalition mit der SPD. Die CDU war zwar geschockt über den Machtverlust, hatte sie doch seit 1953 stets den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg gestellt. Sie tröstete sich aber damit, dass sie die stärkste politische Kraft im traditionell konservativen "Ländle" geblieben war.

Nur ein grünes Intermezzo?

Das gute Abschneiden der Grünen im März 2011 wertete die Südwest-CDU als eine Art Betriebsunfall. Spätestens bei der nächsten Wahl, so glaubten die Konservativen, würde man den Öko-Ministerpräsidenten mit dem Bürstenhaarschnitt wieder aus dem Stuttgarter Staatsministerium fegen. Schließlich hatten die Grünen 2011 von einem singulären Ereignis wie der Atomkatastrophe von Fukushima profitiert. Zur Wechselstimmung beigetragen hatten seinerzeit auch ein übermäßig harter Polizeieinsatz gegen Gegner des Bahnhofs-Neubaus "Stuttgart 21" sowie die wenig überzeugende Amtsführung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus.

Der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands, Winfried Kretschmann, steht mit seinem grün-roten Kabinett vor dem seinem Amtssitz, Foto: dpa
Der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands: Winfried Kretschmann mit seinem grün-roten Kabinett im Mai 2011Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Wer mit wem in der Flüchtlingspolitik

Die Scharte von 2011, so der Plan, will die CDU am 13. März 2016 wieder auswetzen. Nur stellt sich diesmal partout keine Wechselstimmung im Südwesten der Republik ein. Die Grünen haben ihre Umfragewerte auf mehr als 30 Prozent gesteigert und könnten, wenn dieser Trend anhält, erstmals die stärkste Partei in Baden-Württemberg werden. Die Grünen als stärkste Kraft in einem Land, das wäre bundesweit ein Novum. Die Umfragewerte der CDU, die bei der letzten Wahl 39 Prozent der Stimmen holte, liegen bei Werten von nur noch 30 Prozent oder sogar darunter. Ein Grund: Die Unzufriedenheit vieler Wähler mit Merkels Flüchtlingspolitik.

Und so laviert CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf zwischen dem Lager der Merkel-Befürworter und dem der Kritiker, indem er Tageskontingente für Flüchtlinge fordert. Das lehnt die Kanzlerin strikt ab. Als Verfechter von Merkels Kurs der offenen Grenzen hat sich hingegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann positioniert, dessen Partei im Bund in der Opposition ist. Nach Ansicht des Grünen kann die Flüchtlingskrise nur europäisch gelöst werden: "Deswegen unterstütze ich die Kanzlerin, weil sie diesen Weg ganz konsequent geht."

Grün und konservativ

Dass die Grünen in den Umfragen so gut dastehen, haben sie vor allem ihrer Galionsfigur Kretschmann zu verdanken. Als Landesvater macht der 67-jährige frühere Lehrer eine gute Figur, findet die Mehrheit der Baden-Württemberger. Der bodenständige Katholik, der seiner eigenen Partei oft nicht links genug ist, pflegt einen pragmatischen Politikstil. Darin verbindet er Ökologie mit Ökonomie - im Hochtechnologieland Baden-Württemberg, der Heimat großer deutscher Autobauer wie Daimler oder Porsche, nicht selten eine Gratwanderung.

Winfried Kretschmann neben seinem Dienstwagen, einem schwarzen Mercedes, Foto: dpa
"Ich kann doch keinen Fiat fahren" - im Autoland Baden-Württemberg steht der Grüne zu seinem Mercedes-S-KlasseBild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Aber Kretschmanns grün-konservativer Kurs scheint zu zünden - in den Umfragen erzielt er hohe Zustimmungswerte. Selbst unter CDU-Wählern hatte Kretschmann zuletzt mehr Anhänger als sein Herausforderer von der CDU, der ehemalige Landrat Guido Wolf. Der nennt Kretschmann "einen Grünen, der schwarz redet, ohne rot zu werden". Da sei es doch besser, findet der CDU-Mann, gleich das Original zu wählen. Aber die Grünen in Baden-Württemberg sind für die CDU ein harter Gegner: Sie sind im gesamten Bundesland gut aufgestellt; in den wichtigen Universitätsstädten Freiburg und Tübingen sowie in der Landeshauptstadt Stuttgart stellen sie den Bürgermeister.

Grün-Schwarz oder Schwarz-Grün?

Auch wenn die Grünen ihr Ergebnis steigern können, ist fraglich, ob es erneut für die Wunschkoalition mit der SPD reichen wird. Umfragen sehen die Sozialdemokraten derzeit bei kläglichen 13 bis 16 Prozent. Die rechtspopulistische AfD jagt der CDU Stimmen ab und wird vermutlich erstmals in den Stuttgarter Landtag einziehen, in dem auch die FDP, nicht aber die Linke vertreten ist. Die Linke wiederum versucht, den Grünen Wähler abspenstig zu machen - mit dem Argument, in Baden-Württemberg sei die Öko-Partei schon lange nicht mehr links und sozial, sondern eher eine grüngefärbte CDU.

Guido Wolf, der Spitzenkandidat der CDU in Baden-Württemberg, Foto: AFP
Geht in der Flüchtlingspolitik auf Distanz zu Merkel: CDU-Spitzenkandidat Guido WolfBild: Getty Images/AFP/T. Kienzle

Ausgang offen

Kein Wunder also, dass die Spekulationen über mögliche Regierungsbündnisse schon vor der Wahl ins Kraut schießen. Falls es für Grün-Rot oder das von der CDU angestrebte Bündnis mit der FDP nicht reicht, könnte Schwarz-Grün eine Option sein. Fahren die Grünen aber tatsächlich mehr Stimmen ein als die CDU, wird es schwierig. Die Merkel-Partei als Juniorpartner unter einem grünen Ministerpräsidenten? Davon hält CDU-Spitzenkandidat Wolf rein gar nichts. Sein Ziel: Die CDU soll so stark werden, "dass gegen sie nicht regiert werden kann". Unterdessen hoffen die Grünen weiter, dass es für ihre Wunschkoalition mit den Sozialdemokraten doch noch irgendwie reichen wird. Falls nicht, wollen sie mit allen Parteien über ein mögliches Regierungsbündnis reden. Außer mit der rechtspopulistischen AfD.