Guatemala wählt im Schatten der Korruption
16. Juni 2019Als Favoritin geht Guatemalas frühere First Lady Sandra Torres in die Präsidentschaftswahl an diesem Sonntag. Die 63-Jährige tritt für die Mitte-links-Partei "Nationale Einheit der Hoffnung" an. In jüngsten Umfragen kam sie auf die meisten Stimmen - nämlich rund 22 Prozent.
Allerdings wird gegen Torres wegen illegaler Wahlkampffinanzierung ermittelt. Ihr Ex-Mann Álvaro Colom, von dem sie sich scheiden ließ, um selbst kandidieren zu können, ist wegen Korruption angeklagt.
Torres hat Gesundheits- und Bildungsreformen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen versprochen, um die Auswanderung vieler Bürger ihres Landes in die USA zu stoppen. Nach offiziellen Zahlen leben 1,5 Millionen Guatemalteken in den Vereinigten Staaten, nur rund 400.000 von ihnen legal.
Harte Hand
Auf Platz zwei sahen Umfragen Alejandro Giammattei, der demnach mit elf Prozent rechnen kann. Er steht dem Militär und der extremen Rechten nahe. Wegen eines brutalen Einsatzes während seiner Zeit als Chef der Gefängnisverwaltung saß Giammattei 2007 in Haft, wurde schließlich aber freigesprochen.
Der 63-Jährige will im Kampf gegen die Bandenkriminalität die Todesstrafe wieder einführen. Zudem versprach er, gegen die Armut und die "widerliche" Korruption im Land energisch vorzugehen.
Wenn keiner der insgesamt 19 Kandidaten - wie erwartet - eine absolute Mehrheit erreicht, kommt es am 11. August zur Stichwahl. Der amtierende rechtsgerichtete Präsident Jimmy Morales konnte laut Verfassung nicht wieder antreten. Auch gegen ihn wird wegen Korruptionsverdachts ermittelt.
"Ein Ärgernis"
Eine ursprünglich sehr aussichtsreiche Kandidatin, die frühere Generalstaatsanwältin Thelma Aldana, war von der Wahl ausgeschlossen worden. Zuvor wurde sie mit juristischen Klagen überzogen. Sie habe "mächtige kriminelle Strukturen auf allen Ebenen" bekämpft. "Ich war (…) die Einzige, die eine echte Chance hatte, mit der alten Politik zu konkurrieren. Ich war ein Ärgernis“, sagte Aldana.
Gemeinsam mit der UN-Antikorruptionskommission CICIG hatte die Juristin mehrere ehemalige Präsidenten, Minister und Wirtschaftsmogule hinter Gitter gebracht. Als sie Morddrohungen erhielt, floh sie in die USA.
Guatemala wurde von 1960 bis 1996 von einem Bürgerkrieg erschüttert. Die Aufarbeitung der Verbrechen kommt aber nicht voran. Die im Friedensvertrag vereinbarten Sozialreformen lassen auf sich warten. Die Mehrheit der 17 Millionen Einwohner lebt in Armut.
cgn/wa (afp, dpa, epd)