Hamburger SV: Der "Dino" lebt noch
2. August 201857.000 Zuschauer werden da sein. Das Stadion ist ausverkauft. Alles wird sich anfühlen wie Bundesliga - beim Spiel des HSV gegen den Nordrivalen Holstein Kiel. Für die Hamburger soll es der erste Schritt sein auf dem Weg zurück in die höchste deutsche Spielklasse. Der erste von 34 bis zum Mai 2019.
Bundesliga-Absteiger gelten immer als Favoriten für den Aufstieg. Diese Rolle weisen sie in Hamburg jedoch von sich. "Wir werden in dieser Liga kein einziges leichtes Spiel bekommen", warnt Trainer Christian Titz. "Demut wird in den nächsten Monaten eine unsere wichtigsten Tugenden sein." An ihrer überheblichen Einstellung beim Start in die unterklassige Liga sind schon einige Mannschaften gescheitert. Sie brauchten Jahre zur Rückkehr in die Bundesliga. Mancher Traditionsverein kehrte nie wieder und spielt heute in der dritte Liga.
Weichen für den Wandel rechtzeitig gestellt
Wenn man sich in diesen Tagen beim HSV umsieht und umhört, spürt man eine Aufbruchstimmung wie seit Jahren nicht. Der "Bundesliga-Dino", wie der Verein wegen seiner Dauer-Mitgliedschaft in Deutschlands höchster Spielklasse genannt wurde, präsentiert sich runderneuert an Kopf und Gliedern. Vergessen ist der monatelange, quälende Abstiegskampf der letzten Saison, in dem zwei Trainer verschlissen wurden, der Vorstandsvorsitzende und der Sportdirektor ihre Jobs verloren. Geholfen hatte das am Ende alles nicht.
Der Wandel begann in den Zeiten der schlimmsten Krise. Mit der Rückkehr von Bernd Hoffmann als Präsident kam wohl der entscheidende Schub, mit der Berufung von Trainer Christian Titz die sportliche Wende. Der vormalige U23-Trainer hätte in seinen acht Bundesliga-Spielen im Frühjahr fast noch den Klassenerhalt geschafft. Nach dem Abstieg begannen Trainer und Klubspitze sofort mit der Neuausrichtung für die 2. Liga. Nichts wird dabei dem Zufall überlassen. Mit Ralf Becker wurde ein neuer Sportvorstand installiert, der die Zweite Liga kennt, als Spieler und als Manager. Mit Holstein Kiel verpasste er in den Relegationsspielen am Ende der vergangenen Saison den Bundesliga-Aufstieg nur knapp.
Mit viel Wissen in die Zweitliga-Saison
Für die anderen begann im Sommer die "Lernaufgabe" 2.Liga. Im Trainingslager mussten die Spieler sich mit ihren künftigen Gegnern wie Erzgebirge Aue, dem 1. FC Heidenheim oder dem 1. FC Union Berlin beschäftigen und Referate halten. "Ich als Trainer kann da viel erzählen. Da bleibt vielleicht wenig hängen. Wenn ich meine Spieler mit einbeziehe, sie den Gegner analysieren und nach Lösungen suchen müssen, sind sie am Ende besser vorbereitet“, begründete Trainer Titz diese Maßnahme. Weil viele Mannschaften gegen den HSV wohl stark defensiv agieren werden, lässt Titz mehrere Spielsysteme einstudieren. Das Hamburger Spiel soll auf "dominierenden Ballbesitz mit zwei Spitzen" ausgerichtet sein.
Mannschaft und Fans stehen wieder zusammen
Abstieg und Neuaufbau bedeuten auch immer einen personellen Umbruch. Das ist in Hamburg nicht anders. Fünf Neue wurden bisher verpflichtet. Wichtige Spieler jedoch blieben: Der neue Kapitän Aaron Hunt, Gotoku Sakai und Lewis Holtby, bester Torschütze im Abstiegsjahr, unterstützten den Wandel im Verein mit konkreten Taten.
"Es ist nicht selbstverständlich in der Gesellschaft, in der wir heute leben, dass Spieler auf Millionen verzichten, um einem Verein die Treue zu halten", sagt Trainer Titz. "Das hat mir aber gezeigt, wie sie diesen Verein lieben und annehmen." Auch das größte HSV-Talent Jan-Fiete Arp verlängerte seinen Vertrag vorzeitig, obwohl der FC Bayern um ihn warb.
Auch das Verhältnis der Fans zu Mannschaft und Verein hat sich spürbar verändert. Gab es im Abstiegsjahr oft Pfiffe der zahlenden Kundschaft und wie am letzten Spieltag sogar Ausschreitungen der Ultra-Fans, ist die Unterstützung jetzt wieder riesengroß. Die geplanten 25.000 Dauerkarten sind längst ausverkauft. Die Mitgliederzahl des Hamburger SV wuchs sogar um 7500 an, auf jetzt 84.000. Die Euphorie rund um den HSV ist riesengroß. Sie könnte die Mannschaft über die gesamte Saison tragen.