Peking empört
22. April 2008Die Ernennung des Dalai Lama zum Ehrenbürger von Paris hat die Krise in den Beziehungen zwischen China und Frankreich weiter angeheizt. Die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, sagte am Dienstag (22.4.08) vor der Presse in Peking, das Vorgehen "untergräbt die chinesisch-französischen Beziehungen" und besonders die bestehende Städtepartnerschaft zwischen Paris und Peking. Nach den negativen Kommentaren in Frankreich über China und den Angriffen auf die olympische Fackel in Paris Anfang April sei die Ehrenbürgerschaft "eine weitere schwere Provokation".
Sie fördere die "Arroganz" des Dalai Lamas und der exiltibetischen Separatisten noch weiter, sagte sie. Frankreich müsse wirksame Maßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen durch das Vorgehen des Stadtrates von Paris zu beseitigen und aufhören, tibetische Unabhängigkeitskräfte stillschweigend zu dulden und zu unterstützen. Die Sprecherin erwähnte nicht die ebenfalls verliehene Ehrenbürgerschaft für den jüngst zu dreieinhalb Jahren verurteilten chinesischen Bürgerrechtler Hu Jia. Die Anklage hatte ihm unter anderem vorgeworfen, Artikel auf ausländischen Webseiten veröffentlicht und ausländischen Medien Interviews gegeben zu haben. Er und der Dalai Lama waren am Montag (21.4.2008) durch das Stadtparlament zu Ehrenbürgern von Paris ernannt worden.
Pariser Konservative bleiben Abstimmung fern
Nur die Sozialisten und die Grünen im Rat der französischen Hauptstadt hatten allerdings am Montag für die beiden Ehrenbürgerschaften gestimmt. Die Konservativen nahmen an der Abstimmung nicht teil. Das Votum erfolgte auf Vorschlag des sozialistischen Bürgermeisters Bertrand Delanoë und könnte die Bemühungen von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy torpedieren, die Beziehungen zu China wieder zu verbessern.
Die französische Regierung hat die nicht kommentieren wollen. "Es steht uns nicht zu, uns in Entscheidungen der Stadt Paris einzumischen", sagte eine Sprecherin des französischen Außenministeriums am Dienstag. "Die lokalen Körperschaften sind völlig unabhängig. Folglich fällt das, was Kommunen oder Stadtverwaltungen tun, in ihre eigene Verantwortung."
Der Abstimmung über die Ehrenbürgerwürde für den Dalai Lama war eine schriftliche Aufforderung des chinesischen Botschafters an die Pariser Stadträte vorausgegangen, das Vorhaben abzulehnen. "Ich habe noch nie einen Botschafter erlebt, der auf diese Weise Druck auf Volksvertreter ausgeübt hat", sagte Vize-Bürgermeister Pierre Schapira. Der Ton des Schreibens sei "äußerst heftig" gewesen.
Proteste gegen französische Geschäfte
Frankreich war am Wochenende bereits Ziel von Protesten in mehreren Städten Chinas gewesen. Die Aktionen richteten sich vor allem gegen Kaufhäuser der Einzelhandelskette "Carrefour". Bei den Aktionen und im chinesischen Internet wurde zu einem Boykott französischer Waren aufgerufen. Zu den Protesten erklärte die chinesische Außenamtssprecherin, die Chinesen dürften "ihren Patriotismus auf rechtmäßige und vernünftige Weise zum Ausdruck bringen".
Sarkozy bemüht sich unterdessen mit der Entsendung hoher Emissäre um Entspannung in den Beziehungen zu Peking. Seit Montag befindet sich Senatspräsident Christian Poncelet, der zweite Mann im Staat, in China. Er soll unter anderem Staatschef Hu Jintao einen Brief Sarkozys übergeben. Noch diese Woche reisen Ex-Premier Jean-Pierre Raffarin und Sarkozys diplomatischer Berater Jean-David Levitte nach China. Weiter offen lässt Sarkozy, ob er als dann amtierender EU- Ratspräsident im August zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele nach Peking reist.
Dalai Lama bittet USA um Hilfe
Der Dalai Lama bat die USA unterdessen bei einem Besuch im Bundesstaat Michigan um Unterstützung im Tibet-Konflikt. Allerdings äußerte sich das geistliche Oberhaupt der Tibeter am Montag nach dem Treffen mit der US-Sondergesandten Paula Dobriansky nicht konkret, worin die Unterstützung bestehen könnte.
Der Fackellauf in Jakarta wurde am Dienstag aus Furcht vor anti-chinesischen Protesten in ein Stadion verlegt, das von hunderten Sicherheitskräften bewacht wurde. Eine Demonstration von etwa hundert Tibet-Aktivisten vor dem Stadion löste die Polizei vor Beginn der Veranstaltung auf. In Nepals Hauptstadt Kathmandu wurden nach Polizeiangaben rund 50 Tibet-Aktivisten vorübergehend festgenommen, die in der Nähe der chinesischen Botschaft demonstrierten. (tos)