Himmlischer Doppelschlag
15. Mai 2009
Es ist ein kleiner Schritt für eine Rakete, aber ein Riesensprung für Europas Astronomen. So lässt sich frei nach Neil Armstrong der Ariane-Doppelstart beschreiben. Gleich zwei kostbare Satelliten, die zusammen mehr als eine Milliarde Euro kosten, beginnen nun ihre Mission: Herschel und Planck, benannt nach den großen Astrophysikern William Herschel (1738-1822, Entdecker der Infrarotstrahlung) und Max Planck (1858-1947, formulierte das Plancksche Strahlungsgesetz).
Neue Dimensionen
Insbesondere mit dem Herschel-Satelliten greift Europa wirklich nach Sternen, versichert Frank Helmich vom niederländischen Weltraumforschungszentrum SRON: "Der Herschel-Satellit hat einen Spiegel von dreieinhalb Metern Durchmesser. Er ist das größte Teleskop, das je ins All geschickt wurde – größer noch als das Hubble-Weltraumteleskop!"
Herschel wird mindestens bis zum Jahr 2013 das Rekord-Teleskop im All bleiben. Frühestens dann startet das noch größere James-Webb-Teleskop, das der Nachfolger von Hubble wird und an dem Europa ebenfalls beteiligt ist.
Herschel sieht Infrarot
Anders als das Hubble-Teleskop blickt Herschel nicht im Bereich des "normalen" sichtbaren Lichts ins Universum, sondern im Bereich der Infrarot- oder Wärmestrahlung. Infrarotstrahlung ist für das bloße Auge nicht zu sehen, aber mit Instrumenten gut zu beobachten. Unsere Augen sind für Infrarotstrahlung nicht empfindlich, wohl aber unsere Nerven: Wenn beim Grillen die Kohle ausbrennt, dann leuchtet sie zwar nicht mehr, aber mit der Hand über der Asche ist die Hitze gut zu spüren. Eine der Kameras an Bord von Herschel, sozusagen das Auge des Satelliten wurde vom Team um Albrecht Poglitsch vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München entwickelt: "Wir wollen im Infrarotbereich Objekte sehen, die im sichtbaren Licht nicht zu sehen sind, weil sie zu kalt sind, um dort selbst zu strahlen", sagt Poglitsch. Aber auch Objekte in den tief verborgenen Bereichen, die für sichtbares Licht undurchdringlich sind, könnten jetzt erfasst werden.
Unsichtbares wird sichtbar
Konnten die Astronomen bisher nur ahnen, was in kalten Gaswolken und hinter dichten Staubvorhängen im Kosmos vor sich geht, so wird Herschel diese Objekte in allen Details vermessen und so manchen Schleier lüften. Denn die Infrarotstrahlung dringe durch die Staubmassen hindurch, erläutert Albrecht Poglitsch: "Uns interessiert vor allem, wie sich Sterne aus Gas- und Staubwolken bilden, wie Materie auf ein Schwarzes Loch stürzt und welche Prozesse dabei ablaufen."
Herschel soll also in Bereiche des Kosmos blicken, die den Forschern bisher verwehrt geblieben sind. Das geht von den frühesten Galaxien kurz nach dem Urknall bis hin zu dichten Gas- und Staubwolken in unserer Milchstraße. "Auch wenn es unglaublich klingt, aber es ist bis heute eines der ganz großen Rätsel der Astronomie wie Sterne entstehen", stöhnt Frank Helmich. "Da setzen wir jetzt sehr auf die Infrarotbeobachtungen von Herschel. Die könnten uns auf die Sprünge helfen."
Größte Thermoskanne der Welt
Der Herschel-Satellit, der von EADS Astrium in Friedrichshafen am Bodensee gebaut worden ist, kann die Infrarotstrahlung aber nur beobachten, wenn seine Messinstrumente kälter sind als die Objekte, die er untersuchen soll. "Daher haben wir an Bord einen Tank mit einigen tausend Litern flüssigem Helium", erklärt Helmich. Damit würden die Messinstrumente heruntergekühlt. Der Satellit hat also nicht nur den größten Spiegel. Er ist auch die größte Thermoskanne, die je ins All geschickt wurde. Doch zum Ärger der Astronomen kann man Helium nicht perfekt einsperren. Es verdampft beim Kühlen ganz langsam und entweicht aus dem Satelliten, bedauert Frank Helmich: "Wenn das Helium verbraucht ist, wird sich der Satellit aufheizen. Dann fallen die Instrumente aus und die Herschel-Mission ist vorbei."
Etwa vier Jahre lang wird das Helium reichen. Die Messgeräte von Herschel sind während dieser Zeit kälter als minus 270 Grad Celsius. Sie gehören dann zu den kältesten Stellen im gesamten Universum.
Herschel wird nicht um die Erde kreisen, sondern seine Position im Weltall eineinhalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt beziehen, im so genannten Lagrange-Punkt 2. Reparaturen wie jetzt beim Hubble-Weltraumteleskop sind dort unmöglich. Aber für astronomische Beobachtungen ist die ferne Position weit jenseits der Mondbahn ideal.
Planck fliegt huckepack mit
Daher fliegt auch der Planck-Satellit dorthin, der gemeinsam mit Herschel, huckepack, die Reise ins All antritt. Planck soll die kosmische Hintergrundstrahlung, sozusagen das Nachleuchten des Urknalls, äußerst präzise vermessen. Aus solchen Daten lässt sich der Aufbau des Universums ableiten. Zudem verraten sie, welche Rolle Dunkle Materie und Dunkle Energie im Kosmos spielen. Planck soll das Nachleuchten des Urknalls 15mal genauer messen als der NASA-Satellit WMAP vor einigen Jahren.
Der Start von Herschel und Planck ist – neben der Reparatur des Hubble-Weltraumteleskops – für die professionellen Himmelsforscher der Höhepunkt des Internationalen Jahres der Astronomie, das an die erste Nutzung des Teleskops durch Galileo Galilei vor genau 400 Jahren erinnert. Jetzt sollen neue Infrarot-Teleskope den Nachfolgern Galileis große Entdeckungen im Kosmos bescheren.
Autor: Dirk Lorenzen
Redakteurin: Judith Hartl