Hongkong: Gottes Liebe im Straßenkampf
Bei den Protesten in der chinesischen Sonderverwaltungszone ist Pastor Alan Keung mittendrin. Der Kleriker bietet allen Hilfe an, die sie brauchen - in Form von Gebeten, Gesprächen und Augenspülungen gegen Tränengas.
Von der Kanzel auf die Straße
Alan Keung ist einer von mehreren Kirchenvertretern, die bei den seit Monaten andauernden Protesten in Hongkong versuchen, Menschen zu helfen - häufig inmitten einer aufgeheizten Stimmung. Hier beruhigt er einen aufgebrachten Passanten, der Demonstranten wegen einer Straßenblockade beschimpft. "Meine Mission ist es, der Menge Gottes Liebe zu bringen", sagt Keung.
Mit Helm, Warnweste und Piuskragen
Um als Helfer erkannt zu werden - und zu seinem Schutz - hat Keung ein Kreuz auf seinen Helm gemalt, und er trägt eine neongelbe Weste. Der 28-Jährige hat sich einem Team von freiwilligen Rettungssanitätern angeschlossen, die Menschen vor allem helfen, Tränengas aus den Augen zu waschen. Wenn ihn jemand um geistliche Unterstützung bittet, nimmt sich Keung auch Zeit für ein kurzes Gebet.
Gegen die Schmerzen
Gemeinsam mit anderen Freiwilligen hilft der Pastor einem Fußgänger, der von Tränengas getroffen wurde, seine Augen auszuwaschen. Die Hongkonger Polizei setzt bei den Ausschreitungen immer wieder Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer ein, während gewalttätige Demonstranten die Sicherheitskräfte zuletzt unter anderem mit Brandsätzen und Pfeil und Bogen angriffen.
Hilfe für alle
Wenn er bei Protesten im Einsatz ist, schlägt Keung sich nicht auf eine Seite. "Manchmal helfen wir auch verletzten Polizisten, die unsere Hilfe brauchen." Im Juli habe seine Freiwilligen-Gruppe sich nach einem Angriff an einem Bahnhof vor die Sicherheitskräfte gestellt, um sie vor wütenden Passagieren zu schützen.
Zwischen den Fronten
Keungs Hilfseinsätze sind nicht ungefährlich - so wurde er selbst schon von Tränengas getroffen. Zuletzt kam es in Hongkong vor allem an der Polytechnischen Universität zu Ausschreitungen. Die Polizei drohte mit dem Einsatz scharfer Munition. Am Mittwochabend erklärte die Regierung, sie beobachte die Lage genau, um zu sehen, ob die für das Wochenende geplanten Kommunalwahlen stattfinden könnten.
"Nicht jemand, der nur in der Kirche bleibt"
Keung ist seit sieben Jahren Pastor einer rund 30-köpfigen Gemeinde im Nordosten der chinesischen Sonderverwaltungszone. "Ich bin nicht jemand, der nur in der Kirche bleibt und über Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Moral spricht und ignoriert, was an der Front vor sich geht", sagte er. "Ich möchte in der Menge sein, wenn ich gebraucht werde."
"Jeder von euch ist beteiligt"
Was er bei den Protesten erlebt und lernt, baut der Pastor - hier mit Schülerinnen und Schülern nach einer Gebetsstunde auf dem Dach des Kirchengebäudes - mitunter in seine Predigten ein. "Fühlt euch nicht, als wärt ihr kein Teil davon", sagte er kürzlich vor jungen Gemeindemitgliedern. "Jeder von euch ist die Zukunft Hongkongs und der Welt. Jeder von euch ist beteiligt."