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"I got rhythm": Kunst und Jazz

Walter Kittel9. Oktober 2015

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts eroberte der Jazz die USA und Europa. Er inspirierte Generationen von Künstler, darunter Maler wie Otto Dix und Piet Mondrian. Ihre Werke sind nun in einer Stuttgarter Ausstellung zu sehen.

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I GOT RHYTHM. Kunst & Jazz seit seit 1920 Kunstmuseum Stuttgart. Kunstmuseum Stuttgart / Walter Kittel
Bild: Walter Kittel/Ausschnitt

Es war etwas ganz Neues, was da aus den USA herüberschwappte. Die schnellen, leichten Rhythmen, zu denen auch gut getanzt werden konnte, faszinierten eine vom Ersten Weltkrieg verstörte Gesellschaft. Zu den frühesten Bewunderern der neuen Musikszene gehörten die Berliner Maler George Grosz, Otto Dix und Max Beckmann. In ihren Bildern beschwören sie die Halbwelten der Großstadt, in denen kleine Jazzkapellen neben Varietekünstlerinnen, Nachtschwärmern und Kriegsinvaliden auftreten. In bestimmten Kreisen gehörte Jazz in den goldenen Zwanzigern einfach zum guten Ton. Er riss mit und hob sich stark ab von den Konventionen der wilhelminischen Ära.

Jazz und Tanz waren zunächst untrennbar miteinander verbunden. Amerikanische Tänze wie Shimmy, Foxtrott, Ragtime und Cakewalk wurden auch in Europa schnell populär. Auf Jazz zu tanzen, galt als Herausforderung und war nichts für "deutsche Oberlehrer", Leute mit "Stehkragen" und solche, die Angst hatten, "sich lächerlich zu machen", wie George Grosz in seinen Memoiren schrieb. Es gehörte etwas Ungezwungenes, Leichtes zum Jazz. Am virtuosesten verkörperte es Josephine Baker, eine Pariser Varietékünstlerin im Bananenröckchen, die in den 1920er Jahren auch in Berlin auftrat. Viele Künstler der Weimarer Zeit verehrten sie regelrecht. Für die Stuttgarter Ausstellung wiederentdeckt wurden etwa Lithografien von Paul Colin, der Baker und andere Tänzerinnen in exaltierten Posen zeigt. Aber auch das Architekturmodell zu einem Haus mit Schwimmbad und Salon, welches der Österreicher Adolf Loos 1928 für Baker entwarf, ist zu sehen.

Kunstmuseum Stuttgart Ausstellung „I got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920. Foto: Kunstmuseum Stuttgart
Unvergessen: Josephine Baker im BananenröckchenBild: Kunstmuseum Stuttgart

Frauen und Jazz

Neben Malern wie Grosz, Dix und Beckmann, die im Nachtleben der Großstädte ihren festen Platz behaupteten, inspirierten Jazz und die neuen Tänze auch Künstlerinnen, die heute fast vergessen sind. Zu den Entdeckungen von Kuratorin Ulrike Groos gehört vor allem Lotte B. Precher, die später aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und expressionistischen Ästhetik als "entartet" verfemt und verfolgt wurde. 1929 entstand ihr Bild "Jazztänzerin", das noch im selben Jahr in der Berliner Ausstellung "Die Frau von heute" gezeigt wurde. Prechner stelle hier "den modernen, emanzipierten Frauentypus der 1920er-Jahre dar", so Kuratorin Groos, "androgyn gekleidet mit Hut und langer Hose", eine Frauenfigur, die an Marlene Dietrich erinnere und die hier auf einer Bühne selbstbewusst zu Jazzmusik tanzt.

I GOT RHYTHM. Kunst & Jazz seit seit 1920 Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Kunstmuseum Stuttgart/ Walter Kittel
Emanzipierte Frauen fühlten sich wohl in der JazzweltBild: Walter Kittel/Ausschnitt

Eine weitere Entdeckung der Ausstellungsmacher sind Maler afroamerikanischen Ursprungs. Weitgehend unbekannte Künstler der Nachkriegszeit, deren Werke bislang kaum oder noch gar nicht in Deutschland ausgestellt wurden. Es handelt sich um Künstler wie Ernie Barnes, Romare Bearden, Beaufodm Delaney oder Norman Lewis. Sie greifen Jazzmusiker als Motiv auf oder beleuchten Hintergründe, wie die rassistische Verfolgung von Schwarzen in den USA. Im Stuttgarter Kunstmuseum hängen ihre Arbeiten nun gemeinsam mit Werken weitaus prominenterer Künstler wie Andy Warhol, James Rosenquist, Bruce Naumann oder Jackson Pollock. Auch Werke von Jean Michel Basquiat sind zu sehen, der es als einer der wenigen afroamerikanischen Künstler zu Weltruhm gebracht hat.

Schließlich muss in dieser breit angelegten Schau und Recherche zum Thema Kunst und Jazz noch der abstrakte Maler Piet Mondrian genannt werden. Auch er soll ein begnadeter Tänzer gewesen sein. An seinen Motiven mit Rastern und Linien hielt er zwar fest, in gewohnt strenger Ordnung und Geometrie. Doch in der Wahl der Titel fühlte er sich frei und nannte eins seiner Werke etwa "Broadway Boogie Woogie". Die Ausstellung ist noch bis zum 16. März 2016 zu sehen.