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i,Slam = Poetischer Islam

Annabelle Steffes4. Februar 2014

Zwei junge Berliner haben den muslimischen Dichterwettstreit i,Slam ins Leben gerufen - als Sprachrohr für junge Muslime in Deutschland. Was haben sie zu sagen?

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Religion I,Slam Kabarett
Bild: DW/A. Steffes

"Ich unterstütze euch, denn auch wir feiern Ostern. Bloß werden bei uns bunt bemalte Handgranaten versteckt, damit ein jeder von euch verreckt." Najat will provozieren, will ganz bewusst überspitzen, was sie täglich erlebt. Sie ist klug, hübsch und selbstbewusst. Und sie trägt Kopftuch. Eigentlich nichts Ungewöhnliches in einem Land, über das behauptet wird, der Islam gehöre dazu. Doch Najat macht oft andere Erfahrungen. "Man merkt auf der Straße, dass ständig komische Blicke auf einen treffen", erzählt die Studentin. "Man merkt, dass die Menschen verwundert sind, wenn man eloquent und redegewandt ist."

Genau wie die meisten ihrer Mitstreiter an diesem Abend ist Najat in Deutschland geboren. Sie ist hier zu Hause und doch fühlt sie sich manchmal fremd. Etwa wenn es darum geht, dass sie keinen Alkohol trinkt. Für junge Muslime wie Najat haben Youssef Adlah und Younes Al-Amayra 2011 den i,Slam gegründet, bei dem auf die islamischen Werte geachtet wird. "Die ganze Fäkalsprache fällt weg, das ist aber gang und gäbe auf normalen Poetry Slams. Alkohol ist sonst ein sehr wichtiger Bestandteil, bei uns gibt es das überhaupt nicht.", erklärt Youssef das Konzept.

Religion I,Slam Kabarett
Räumt mit Vorurteilen auf: Slammerin NajatBild: DW/A. Steffes

Ein schützender Rahmen

Youssef und Younes haben mit ihrem i,Slam einen Nerv getroffen. Der Saal ist voll. Auch einige Nicht-Muslime sind unter den Besuchern. Ist ein rein muslimischer Slam nicht kontraproduktiv für die Integration? Die i,Slam-Erfinder verneinen vehement. "Wir wollen muslimische Jugendliche stärken und ihnen eine Plattform geben zu sprechen. Dazu braucht man einen schützenden Rahmen", sagt der 28-jährige Younes erregt. Im vergangenen Jahr habe es sogar einen interreligiösen Slam gegeben, bei dem ein slammender Imam gegen einen dichtenden Rabbiner antrat.

Die jungen Dichter wagen sich an diesem Abend - mal humorvoller, mal ernster - auch an schwierige Themen. Da geht es um Fremdenhass, Krieg und Verfolgung. Die junge Dichterin Faten erzählt von der Flucht ihrer Familie aus Palästina. Slambegründer Youssef führt mit einem Gedicht in seine syrische, vom Bürgerkrieg gezeichnete Heimatstadt Aleppo ein. Er beschwört Bilder aus der Kindheit herauf, erzählt von den Gerüchen auf dem Bazar, dem Spiel mit den Nachbarskindern. Dann ist er bei der Gegenwart: "Die Lebenden können nicht liegen und die Toten liegen zu Hauf", slammt er. Seine Betroffenheit sitzt tief, für Youssef ist die Veranstaltung in Wuppertal etwas ganz besonderes. Denn unter dem Motto "Dein Wort gegen das Leid" sammeln die jungen Leute Geld für syrische Familien in Not. Am Ende des Abends werden es 2.500 Euro sein.

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Bild: DW/A. Steffes

Mit Selbstironie zum Sieg

Mit seinem selbstironischen Slam über seinen auffälligen und dichten Bart dichtet sich Amin zum Sieg. "Ich habe das spaßig dargestellt, damit auch eine andere Sicht darauf kommt, da ja nicht alle radikal sind, sondern auch eine positive Message verbreiten", erklärt der 28-Jährige im DW-Interview.

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Slammer Amin witzelt über seinen auffälligen BartBild: DW/A. Steffes

Die Botschaft der Slammer kommt rüber, auch wenn auffällig viele Gedichte von Vorurteilen und Ignoranz handeln. Die Religion spielt für die Slammer eine wichtige Rolle. Sie gehört zu ihrer Identität. Das unterscheidet sie von vielen anderen Jugendlichen in Deutschland. Die Folge: gegenseitiges Unverständnis. Najat drückt es in ihrem Gedicht so aus: "Was bleibt, ist ein Dilemma, eine Diskrepanz, keine Toleranz, niemals Akzeptanz, doch ich unterstütze euch: Deutschland den Deutschen, denn auch ich bin deutsch!"