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Interview Kentzler: "Deutsche Qualitätsarbeit hat sich durchgesetzt"

Monika Lohmüller27. Juli 2012

Die Handwerksbetriebe sind das Kernstück der deutschen Wirtschaft. Sie haben eine ganz besondere Bedeutung für den Standort Deutschland, sagt Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes.

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Otto Kentzler (Foto: ZDH)
Otto Kentzler ZDHBild: ZDH/Stegner

DW: Wie wichtig ist das deutsche Handwerk für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Otto Kentzler: Das Handwerk bildet nachhaltig aus, seine kleinen und mittleren Betriebe sorgen so für wirtschaftliche Prosperität und gesellschaftliche Stabilität. Und es bildet die Klammer zwischen Industrie und Kunden. Das zusammen gibt ihm seine besondere Bedeutung. Die Industrie ist auf unsere Partnerschaft angewiesen, umgekehrt ist es genauso. Und das hat auch Deutschland soweit nach vorne gebracht.

Der wirtschaftliche Schwung lässt nach in Deutschland - sind erste Anzeichen einer Schwächephase im Handwerk auszumachen?

Aus unseren Umfragen kann man das nicht ablesen. 90 Prozent unserer Handwerksunternehmen sind optimistisch. Aber aus den Gesprächen mit einigen Unternehmern weiß ich, dass das regional unterschiedlich ist. Wir kommen allerdings aus einem fantastischen Jahr 2011 mit über sieben Prozent Steigerung. So sind wir mit Rückenwind in dieses neue Jahr gegangen. Wir schätzen, dass wir ein Wachstum von 2,5 Prozent haben werden - also weit mehr als die übrige Wirtschaft. Das sehen wir bereits an den Auftragseingängen.

Immer mehr Betriebe entdecken das Ausland - ist die Branche globaler geworden?

Deutsche Qualitätsarbeit setzt sich durch, sie hat sich sozusagen herum gesprochen. Wir haben fantastische Betriebe in allen Branchen. Ob High-Tech bei den Zulieferbetrieben für die weltweite Industrie, ob Innenausbau vom Flagshipstore in Asien bis zum Luxushotel in Dubai, oder zum Beispiel im Orgelbau oder im Uhrenhandwerk, unsere Unternehmen sind in der Welt gefragt. Das zeigt die hohe Qualität, die das deutsche Handwerk in seiner Breite zu bieten hat. Und jeder tüchtige deutsche Handwerksmeister oder Geselle, den es in die weite Welt zieht, wird dort mit Kusshand genommen.

Wie stark können Sie die Interessen der Betriebe im politischen Berlin einbringen?

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks ist einer der großen Wirtschaftsverbände in Berlin. Und ich glaube, dass wir Handwerker bei den Politikern viel Gehör bekommen. Sie sehen ja auch, dass wir pragmatisch mit den Problemen umgehen, dass wir versuchen, sachlich Erfolge oder
Mißwirkungen eines Gesetzes vorher auszuloten. Das hat uns sehr viel Glaubwürdigkeit eingebracht.

Vor Jahren gab es noch zu wenige Ausbildungsplätze im Handwerk - heute müssen die Betriebe auf Lehrlingssuche gehen - ist das ein Problem?

Das ist ein großes Problem nicht nur für das Handwerk, sondern für die gesamte Wirtschaft in Deutschland. Wir im Handwerk können uns jedoch nicht mit Greencards oder mit größerer Zuwanderung helfen. Wir müssen schon versuchen, die Menschen in unseren Betrieben selbst auszubilden. Dann kennen wir sie und ihre Fähigkeiten und können ihnen auch entsprechende Fort- und Weiterbildungen anbieten.

Mit unserer Imagekampagne sprechen wir gezielt Jugendliche an, informieren sie darüber wie modern Handwerksberufe sind, und dass es für jeden die geeignete Wahl gibt. Wo wir in Deutschland noch nicht weit genug sind, trotz großer Anstrengungen, das ist bei Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln. Diese Jugendlichen und ihre Eltern kommen aus einer anderen Ausbildungskultur und müssen verstehen, wie wichtig eine berufliche Ausbildung für sie ist, welche Chancen sie bietet.

Wir müssen natürlich auch darauf achten, dass die Betriebe sich entsprechend attraktiv aufstellen, den Jugendlichen Arbeit und Aufstiegschancen bieten. Da ist an der einen oder anderen Stelle noch etwas zu tun. Aber wenn alle an einem Strang ziehen, dann ist mir nicht bange.

Wie sieht es mit dem Fachkräftemangel in den Handwerksunternehmen aus?

Nachwuchsmangel haben wir - aufgrund der zurückgehenden Zahl von Schulabgängern und angesichts eines Trends hin zu akademischer Bildung. Fachkräfte fehlen erst an der einen oder anderen Stelle. Dagegen gehen wir mit mehr Beratung an - Jugendliche dürfen nicht nur "Modeberufe" wählen, KFZ-Mechatroniker/-in oder Friseur/-in. Hier ist auch Beweglichkeit bei der Berufswahl gefragt.

Und bei der Ortswahl: Warum kann man nicht auch für eine Ausbildung in eine andere Stadt gehen? Die Möglichkeiten dafür sind da, die Unterstützung des Staates ist sicher. Ein gutes Argument für das Handwerk ist auch die Durchlässigkeit: Ein Handwerksmeister kann studieren, auch wenn er ursprünglich einen Hauptschulabschluss hatte. Das ist eine ganz große politische Errungenschaft, die das Handwerk in Deutschland mit durchgesetzt hat.

Wegen Arbeits- und Chancenlosigkeit verlassen derzeit zahlreiche junge Menschen aus den Euro-Krisenländern ihre Heimat. Macht sich das im Handwerk bemerkbar?

Ja, wir haben Kontakte mit Spanien zum Beispiel, wir werden auch erste Projekte in diesem Jahr anstoßen. Dafür sind wieder die handwerklichen Bildungszentren in Deutschland gut geeignet, die auch Fort- und Weiterbildung betreiben. In vielen Fällen sind Internate angeschlossen. Voraussetzung aber ist, dass die jungen Leute unsere Sprache zumindest soweit beherrschen, dass man sich verständigen kann.

Das Interview mit dem Präsidenten des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler, führte Monika Lohmüller.

Das Handwerk ist der vielseitigste Wirtschaftsbereich Deutschlands. Es gibt rund 988.000 Betriebe bundesweit. Dort arbeiten über fünf Millionen Menschen, fast 440.000 Lehrlinge erhalten eine Ausbildung. Damit sind 12,7 Prozent aller Erwerbstätigen und 29,3 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland im Handwerk tätig. Im Jahr 2011 erreichte der Umsatz im Handwerk rund 497 Milliarden Euro.