Kippenberger: "Bitteschön Dankeschön" - eine Retrospektive
Bei Martin Kippenberger gab es nichts Privates. Sein Leben war Kunst: intensiv, schrill, exzessiv. Alle seine Arbeiten tragen biografische Spuren. Die Bonner Bundeskunsthalle widmet ihm eine Werkschau.
Ein deutsches Künstlerleben
Martin Kippenberger (1953-1997) gehört zu den umstrittensten und wichtigsten Künstlern seiner Generation. Geprägt durch die Zeit der "Jungen Wilden" hatte er schon zu Lebzeiten eine herausgehobene Rolle innerhalb der westdeutschen Kunstszene. International wird Kippenberger als zeitgenössischer Künstler von Weltrang wahrgenommen. Die Bundeskunsthalle in Bonn widmet ihm eine sehenswerte Werkschau.
"Ohne Titel" (1981)
Geboren wurde Martin Kippenberger 1953 in Dortmund. er wuchs in einem künstlerisch ambitionierten Haushalt im Ruhrgebiet auf. Sein Vater war Bergwerksdirektor, seine Mutter Ärztin. Nach Jahren im Internat brach er 1968 die Schule ab, danach die Lehre als Dekorateur. Drogen, Entziehungskur, Alkoholexzesse, Kunstakademie - sein Lebensweg als Künstler blieb von Extremen geprägt, mit Höhen und Tiefen.
"The Capitalistic Futuristic Painter in His Car" (1985)
Die revolutionären Themen der 68er-Zeit kamen immer wieder in Kippenbergers Arbeiten vor: abgewandelt, verfremdet, meistens schräg, oft mit biografischen Bezügen. Kapitalismus- und Konsumkritik, Antiklerikales, alles wurde von ihm mit überbordender Kreativität auf die Leinwand gebannt. Viele Motive entstammten der genauen Beobachtung seiner Zeitgenossen: Rohstoff für die Kunst.
"Sympathische Kommunistin" (1983)
Dieses Bild - Öl auf Lack - ist zu einer Ikone der zeitgenössischen Kunst in Deutschland geworden. Oft kopiert oder als Druck auf T-Shirts und Taschen wiederzufinden. Martin Kippenberger war kein Theoretiker, kein Anhänger politischer Ideologien. Er benutzte die "Kommunistin" nur als ironisches Motiv, verfremdet wie ein Comic.
"Farbenlehre" (1994)
Kippenberger zog ständig von einer Stadt in eine andere: Florenz, Hamburg, Berlin, New York, LA, Paris, Sevilla, immer wieder Köln. Unterwegs sein als künstlerische Lebensform. Hier die Arbeit "Farbenlehre" von 1994 - gemalt drei Jahre vor seinem Tod.
"Paris Bar" in Berlin (1991)
Kippenberger war ein exzessiver Kneipengänger und Barbesucher. Wer mit ihm ausging, wusste vorher, dass er keine Schonung kannte und sich regelmäßig die Kante gab. Drogen, Alkohol, Menschen, Kunst - alles konsumierte er in Unmengen. Die legendäre "Paris Bar", in Berlin nächtlicher Treffpunkt der Kunstszene, war lange sein Heimathafen. Mehrfach von ihm in Öl verewigt.
"Krieg Böse" (1983)
Der Abgrund war oft nicht weit, manches Mal hing sein Leben am seidenen Faden. Martin Kippenberg malte eigentlich immer Orte, Situationen oder Zwischenmenschliches aus seinem Künstlerleben. Seine Drogensucht, sein harter Alkoholkonsum, das alles verzehrte seine Kraft. Sein jeweiliges Stammlokal in der Stadt, in der er wohnte, machte er zur Auftankstation und zu seinem temporären Zuhause.
"o.T." (Sammlung "Window Shopping bis 2 Uhr nachts")
Nächtelang streunte Kippenberger durch die Straßen, durch Kneipen, Bars und landete häufig in zwielichtigen Etablissements. Nachtschwärmer waren ihm die liebsten Weggenossen. Vieles von dem, was er sah, erlebte, kam in im Motivkanon seiner Bilder vor. Hier ein Selbstbildnis "Ohne Titel" aus der Serie "Window Shopping bis 2 Uhr nachts", das heute einem privaten Sammler gehört.
"Porträt Paul Schreber" (1994)
Als Künstler kannte Kippenberger keine Tabus, keine Berührungsängste. Er trieb sich in der Lederwelt der Schwulenszene genauso rum wie in schicken Galerien und der professionellen Geschäftswelt der Kunstmessen. Er verstand sich im Grunde als "Künstlerdarsteller", und wollte zeitweise sogar Schauspieler werden. Ihn interessierte, was im Kopf der Menschen vorging, hier im Gehirn von Paul Schreber.
"Das Floß der Medusa" (1996)
Alles politisch Korrekte war dem unangepassten Künstler zuwider. Die Postmoderne fand er überflüssig, den Hippielook, der in seiner Berliner Zeit Mode war, legte er radikal ab. Und trug fortan feinste Anzüge und Lederschuhe - alles maßgefertigt. Damit arbeitete er sogar im Atelier. Er wollte der wandelnde Widerspruch sein. Und nicht im Mainstream der Kunstszene untergehen.
Künstlerdarsteller
Immer wieder setzte sich Martin Kippenberger als Mann, eben als deutscher Künstler, seinen Körper als lebende Skulptur in Szene. 1996 hatte er die Modefotografien Elfie Semotan geheiratet. Seine Frau fotografierte ihn häufig, hier auch als Teil der Reihe "Das Floß der Medusa" (1996), die in der Bonner Ausstellung zu sehen ist.
"Bitteschön Dankeschön"
1996 reiste der Künstler nach Venedig. Das Foto "Frieda VIII" zeigt ihn an einem trüben Regentag auf dem Markusplatz, wenige Touristen sind unterwegs. Martin Kippenberger hat, wie kaum einer seiner Generation, die deutsche Kunst der 1980/90er Jahre stark beeinflusst. 1997 starb er in Wien. Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt die Werkschau "Bitteschön Dankeschön" vom 01.11.2019 bis zum 16.2.2020.