Drei Weltreligionen unter einem Dach in Berlin
11. März 2018Diese Utopie sieht schäbig aus. Grobes Holz, umgeben von Bauschutt und Brachland: Nun ja, sagen wir's frei heraus: eine Bretterbude. Immer, wenn ich mit dem Fahrrad auf der Leipziger Straße in Richtung Philharmonie fahre, komme ich an dieser Utopie vorbei: "House of One" steht weit sichtbar auf dem Bauzaun. Und ein Transparent daneben erklärt, worum es geht: "Haus der drei Religionen" lese ich dort. So schäbig das auch aussieht, so glanzvoll finde ich die Idee: Die drei monolithischen Weltreligionen sollen hier zusammenfinden, Christen, Muslime und Juden. Eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee unter einem Dach. Ein Pastor, ein Imam und ein Rabbi beten in unmittelbarer Nachbarschaft. Und in der Mitte, auf einer überdachten Piazza, können sie und ihre Gemeinden zusammenkommen.
Haus der drei Religionen
Diese Piazza ist jetzt schon sichtbar, als Modell im Maßstab 1:1. Es ist jenes grobschlächtige Holzprovisorium, das ich vom Fahrrad aus sehe. Hier finden bereits "multireligiöse Meditationen" statt. Vor allem aber werben die Initiatoren damit für Spenden, denn noch ist die Bausumme nicht zusammen. 8,8 Millionen Euro sind zwar schon zusammengekommen, benötigt werden aber 43 Millionen. Manche Spender hinterlassen auf der Internetseite des House of One eine Botschaft. Alexander Relea-Lindner aus Deutschland hat politische Motive: "Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks ist es wichtig, dass die kirchlichen Institutionen miteinander an einem Strang ziehen." Sara Berry aus den USA argumentiert theologisch: "Mehr denn je sollten die abrahamischen Religionen einen gemeinsamen Raum teilen. Möge das der Start für viele Houses of One sein!"
Gegen den Kampf im Namen der Religion
Christen, Muslime und Juden haben sich im Namen der Religion bis aufs Messer bekämpft. Auch jetzt noch geschieht das, etwa im Nahen Osten, wo der islamistische Terror tausende Menschenleben kostete. Selbst in Berlin hat ein islamistischer Terrorakt eine Schneise des Todes geschlagen: auf dem Breitscheidplatz, wo zwölf Menschen ermordet wurden, weil ein Lastwagen absichtlich in die Menge raste.
Doch dann gab es dieses starke Signal: Ich erinnere mich an die interreligiöse Gedenkfeier zum ersten Jahrestag des Anschlages - ein evangelischer und ein katholischer Bischof, ein Imam und ein Rabbiner beteten da gemeinsam. Das werde ich nicht vergessen.
Friede, Freude, Einheitskirche?
Es ist so, als hätten sie die Idee des House of One vorweggenommen. Zustimmung gibt es von vielen Seiten dafür. Selbst die Zeitung des Papstes, L'Osservatore Romano, ist voll des Lobes für das "innovative Projekt".
Wächst nun zusammen, was zusammen gehört? Entsteht hier eine Superreligion auf Berliner Boden? Friede, Freude, Einheitskirche?
Ich erinnere mich daran, dass hier in Berlin 1783 "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing uraufgeführt wurde, jenes Ideendrama, in dem der Jude Nathan für die Gleichberechtigung der Religionen wirbt.
Aber eine Superreligion? So naiv war schon Nathan nicht. Die Initiatoren von der evangelischen St. Petri Gemeinde sind es auch nicht. Sie wollen die Ökumene nicht auf die Spitze treiben. Sie wollen ein "Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre" schaffen und damit erreichen, dass die Religionen friedlich zusammenleben.
Deswegen haben sie den Petri-Platz im ältesten Teil Berlins, der Spree-Insel, als Bauplatz zur Verfügung gestellt. Genau dort, wo bis 1964 die Kriegsruine der Petri-Kirche stand, bevor sie abgetragen wurde.
Skeptische Stimmen
Neben viel Zustimmung gibt es auch Skepsis und Ablehnung für die interreligiöse Initiative. Eine Kollegin der Berliner Zeitung kritisiert sie als "Illusion vom Dialog der Religionen". Es stimmt: Zwei der drei Hauptakteure sind eher Außenseiter innerhalb ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaften. Das gilt für das Abraham Geiger Kolleg, ein progressives Rabbinerseminar aus Potsdam. Und noch mehr für das Forum für interkulturellen Dialog, hinter dem sich die umstrittene Gülen-Sekte verbirgt, die nach den Attacken des türkischen Präsidenten Erdogan zumindest für viele türkische Muslime ein rotes Tuch ist.
Wird das den Dialog nicht eher erschweren? Aber wer sagt, dass es leicht wird für das Haus der drei Religionen? Es ist eine Utopie und kein fertiges Konzept. Ich hoffe, dass davon eine immer stärkere Anziehungskraft ausgeht. Und dass sich dieses Haus irgendwann auch für die mehr als 250 Religionsgemeinschaften in Berlin öffnet.
Verrückt? Vielleicht! Aber ich gebe dieser Utopie eine Chance, auch wenn sie im Moment noch so brüchig wirkt wie die Bretterbude auf dem Petri-Platz.