Es hat lange gedauert, bis Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo Zeit für den Antrittsbesuch in Berlin gefunden hat. Üblicherweise war nach 1989 Bonn oder Berlin immer eines der ersten Reiseziele des neu gewählten polnischen Regierungschefs. Diesmal war es anders. Und auch das ist eine Botschaft: Der Schmusekurs mit dem westlichen Nachbarn ist vorbei.
Nun will Warschau die deutsch-polnischen Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen. Nicht Nähe, sondern kühle Distanz sollen das Verhältnis von jetzt an prägen. Keine Nachgiebigkeit, sondern das Durchsetzen der eigenen Interessen. Und bitteschön bloß keine deutsche Kritik in Richtung Warschau. Rechtsstaatlichkeit und Medienfreheit hin oder her: Das sind aus PiS-Sicht polnische Probleme, die nur die Polen was angehen. Einmischung von Außen verbittet sie sich.
Politik ohne Freunde
Es wird hier allerdings mit zweierlei Maß gemessen. Just vor ihrem Berlin-Besuch sagte die polnische Ministerpräsidentin mit Blick auf die Flüchtlingsfrage, die Situation in Deutschland und Europa sei außer Kontrolle geraten. Es sei das aufgetreten, wovor ihre Partei längst gewarnt hatte: Die Anschläge in Paris und sexuelle Gewalt in Köln seien die Folgen. Der Ton wird rauer, die Sprache direkt. Auch das ist neu und gewöhnungsbedürftig.
Man kann diese Wende nicht verstehen ohne das politische Credo von Beata Szydlos Ziehvater Jaroslaw Kaczynski zu kennen. Er und seine Gefolgschaft glauben, dass es in der Politik keine Freundschaften, sondern nur harte Interessen gibt, die man durchsetzen muss. Konflikt sei der Motor des Wandels. Polen dürfe nicht länger knien, müsse aufstehen. Kompromiss ist in dieser Gedankenwelt ein Ausdruck der Schwäche. Es ist ein Politikverständnis, das anachronistisch ist.
Wenigstens betont Beata Szydlo nun, dass sie an guten Beziehungen mit Berlin interessiert und bereit sei, über Probleme zu reden. Nicht mehr, nicht weniger. Berlin muss mit dieser Haltung leben lernen und das Beste daraus machen. Denn auch das gilt: Kaczynskis Nationalkonservative sind in Polen zu einer Volkspartei aufgestiegen - und wie es aussieht, werden sie es noch lange bleiben.
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