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Judenhass in Europa bekämpfen

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
16. April 2015

Jedes Jahr zum Holocaust-Gedenktag in Israel warnt die Universität Tel Aviv vor steigendem Antisemitismus. Die "Explosion von Judenhass in Europa" ist nicht hinzunehmen, meint Bernd Riegert.

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Zum Thema - Online-Umfrage - Juden in Europa sehen wachsenden Antisemitismus
Bild: picture-alliance/dpa

Die Erkenntnisse der Forscher von der Universität Tel Aviv über weltweiten Antisemitismus, der stetig anzuwachsen scheint, sind bestürzend. Die Zahl der Gewalttaten hat im letzten Jahr wieder zugenommen. Besonders für jeden Europäer muss die Aussage des Reports, dass Juden sich gerade in Westeuropa zunehmend bedroht und verängstigt fühlen, beschämend sein. Der Trend ist eindeutig: Antisemitismus nimmt in Europa zu, besonders in Frankreich und Großbritannien - und das nun schon seit Jahren. Zu Beginn dieses Jahres gipfelte der Judenhass in den Terroranschlägen von Paris und Kopenhagen.

Die Zeit der Trauermärsche und Solidaritätsadressen ist vorbei, jetzt ist mehr Handeln gefragt. Auf der einen Seite muss alles getan werden, um die Sicherheit jüdischer Einrichtungen zu garantieren. Auf der anderen Seite muss die Aufklärung und Erziehung gerade auch muslimischer Jugendlicher verbessert werden, um irrationalen Hass auf Juden an einem seiner Entstehungsorte an der Wurzel zu packen. Europäische Politiker haben sich in den letzten Jahren bemüht, sich des Themas anzunehmen. Es gab Gipfelerklärungen, Tagungen und neue Programme. Aber die Übersetzung der politischen Aktivitäten in den Alltag der Menschen ist offenbar noch nicht gelungen.

Unterschiedliche Tätergruppen

Das liegt sicherlich auch daran, dass die Gründe für antisemitische Gewalttaten so vielschichtig sind und es je nach Land jeweils eine unterschiedliche Mischung der Tätergruppen gibt. Während in Frankreich Premierminister Valls hauptsächlich radikale Muslime verantwortlich macht, werden die meisten Gewalttaten gegen Juden in Deutschland von rechtsextremistischen Tätern verübt. In Osteuropa sind zwar antisemitische Vorbehalte in der Bevölkerung noch stärker vertreten als in Westeuropa, trotzdem gibt es im Westen mehr Straftaten gegen Juden. In der Türkei fiel Präsident Erdogan durch antisemitische Äußerungen auf. In anderen Staaten sind es auch linksradikale Parteien, die durch ihre einseitige Parteinahme im Nahost-Konflikt Vorbehalte und Vorurteile schüren. Bis vor zwei Jahren warnten jüdische Funktionäre vor allem vor dem Aufstieg rechtspopulistischer Partei etwa in Ungarn oder der Slowakei, jetzt macht vor allem die Radikalisierung der Muslime Sorgen. Eine einheitliche und einfache europäische Antwort auf das Problem kann es deshalb nicht geben.

Deutsche Welle Bernd Riegert
Bernd Riegert, Europa-Korrespondent in Brüssel

Vordergründig hat im letzten Jahr der bewaffnete Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Gaza-Streifen für einen starken Anstieg der Gewalttaten gegen Juden in Europa geführt. Das war auch 2009, nach der ersten Gaza-Operation, so. Damals lag die Zahl der antisemitischen Taten noch höher als 2014. Hier könnte die europäische Politik schon einiges leisten, wenn sie es nicht zuließe, dass aus zulässiger Kritik an israelischem Regierungshandeln eine völlige Ablehnung des jüdischen Staates und pauschaler Judenhass entstehen. Natürlich darf man gegen das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen protestieren, aber alle Juden pauschal anzugreifen, ihren "Tod im Gas" zu fordern, wie bei Dutzenden Demonstrationen in Europa offenbar geschehen, geht natürlich über jegliches erträgliche Maß hinaus.

Den Versprechen müssen gezielte Taten folgen

Es entsteht ein Klima, in dem es 70 Jahre nach der Shoah möglich ist, uralten Vorurteilen gegen Juden zu frönen. Auch das belegen die Forscher aus Tel Aviv. In vielen Gesellschaften Europas herrscht ein latenter Antisemitismus bei bis zu 20 Prozent der Menschen. Unter Muslimen oder Rechtsradikalen ist dieser Anteil sehr viel höher. Da ist es für beunruhigte Europäer nur ein schwacher Trost, dass es in anderen Teilen der Welt noch schlimmer aussieht. Im Nahen Osten etwa sind anti-jüdische Einstellungen bei drei Vierteln der Menschen zu verzeichnen. Antisemitismus wird dort ständig durch staatliche Institutionen und die Medien bestärkt.

Jüdische Organisationen haben ihre Mitglieder aufgefordert, sich in manchen Gegenden Europas nicht mehr als Juden zu erkennen zu geben. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu wiederholt immer wieder seine Aufforderung an die Juden Europas, nach Israel auszuwandern. Das schmerzt, denn die jüdische Minderheit gehört seit Hunderten von Jahren zu Europa. Europas Politiker halten dagegen und versprechen, alles zu tun, um den Juden hier ein sicheres Leben zu ermöglichen. Die Statistiken der Tel Aviver Universität sprechen leider eine andere Sprache. Es ist höchste Zeit, den Versprechen gezielte Taten folgen zu lassen. Noch ist die Situation keinesfalls mit der Lage in Europa in den 1930er Jahren zu vergleichen, als antisemitische Gewalt in Deutschland vom Staat organisiert und gefördert wurde. In Frankreich aber nimmt die Zahl jüdischer Auswanderer stetig zu. Ein Exodus darf nicht die Antwort auf die Probleme der Gesellschaften in Europa sein.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union